Was ist das Besondere an diesem Hackathon und warum ist BI als Kooperationspartner dabei?
Dr. Imme Witzel: Beim Hackathon „In Code we trust“ entwickeln die Teilnehmenden Ideen, wie software-basierte Lösungen akute gesellschaftliche Probleme beheben können. Sie programmieren Apps oder andere digitale Werkzeuge – bspw. für vertrauenswürdige Medien, ökologisch nachhaltige Energieressourcen , ein effizientes Gesundheitssystem , sichere Kommunikationssysteme , eine geordnete Bürokratie und eine Wirtschaft, die für alle sorgt. Die Digitalisierung , insbesondere nutzungsorientierte digitale Werkzeuge, aber auch Gaming-Anwendungen , sind ein effizientes Mittel, um kritische Infrastrukturen zu stabilisieren und damit Gesellschaften, die auf Freiheit und Innovation setzen, zu fördern.
Digitale Werkzeuge können sowohl das Privatleben der einzelnen Bürger:innen beeinflussen als auch dabei helfen, größere gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen. Disruptive Technologien wie Blockchain oder Künstliche Intelligenz können unser tägliches individuelles, soziales und politisches Leben verbessern. Sie können helfen, die Herausforderungen zu meistern, die durch Desinformationskampagnen, Radikalismus oder Naturgewalten wie den Klimawandel oder Pandemien entstehen.
Beim Hackathon nehmen junge Leute aus Bayern mit ganz unterschiedlichen Vorkenntnissen teil – beispielsweise Studierende, Berufsschüler oder junge Leute, die ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren. Alle vereint das Ziel, gemeinsam Lösungen und Innovationen für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Digitalisierung zu entwickeln. Das Besondere dabei ist: Die Teams bestehen sowohl aus Teilnehmenden mit als auch aus solchen ohne Programmierkenntnisse. Alle arbeiten interdisziplinär. Das ist besonders wichtig, wenn man komplexe Herausforderungen meistern möchte –die Stärke der Teams liegt darin, dass sich Wissen aus ganz verschiedenen Disziplinen ergänzt.
Warum braucht man einen interdisziplinären Ansatz? Kann man gesellschaftliche Fragestellungen nicht allein mit technischen Lösungen angehen?
Dominik Golle: Dass Technik allein keine Probleme löst, haben nach fast drei Jahrzehnten unregulierter, digitaler Entwicklung die meisten Menschen erkannt. Bereits 2011 hat zum Beispiel Evgeny Morozov in seinem Buch „The Net Delusion: The Dark Side of Internet Freedom“ prominent davor gewarnt, bei digitalen Innovationen den soziokulturellen Kontext zu vernachlässigen, in dem neue Technologien eingesetzt werden sollen. Denn was nützt die beste Anwendung, wenn sie an der gesellschaftlichen Realität vorbeigeht?
Ein beliebtes Beispiel aus Hackathons sind Nachbarschafts-Apps, mit denen alten Menschen beim Einkauf geholfen werden sollen, indem junge Menschen das gegen ein kleines Entgelt erledigen. Damit eine Nachbarschafts-App auch tatsächlich den nachbarschaftlichen Zusammenhalt stärkt, muss man die sozialen Zusammenhänge vor Ort genau verstehen. Denn wenn z. B. die Anwendung nur von digitalaffinen Menschen im Ruhestand als kostengünstige Alternative zu Lieferdiensten genutzt wird, anstatt von Personen, die tatsächlich Nachbarschaftshilfe brauchen, verfehlt sie ihr Ziel.
Daran sieht man, dass die technische Entwicklung einer App der einfache Teil einer Lösungsentwicklung ist. Ein gesellschaftliches Problem zu identifizieren und dafür eine funktionierende Lösung zu entwickeln, die tatsächlich angenommen wird, ist sehr viel schwieriger. Dazu braucht es interdisziplinäre Teams, die sich nicht davor scheuen, direkt mit ihren Zielgruppen zu sprechen, diese in den Entwicklungsprozess einzubinden und auch einmal technisch gute Ideen zu verwerfen, die einfach nicht beachtet werden.
Welchen Beitrag leisten das ZD.B und BI zum Hackathon?
Dr. Imme Witzel: Bayern Innovativ und das ZD.B unterstützen den Hackathon und die Teams mit dem Wissen aus den Netzwerken der Organisation. Wenn ein Team bei einer speziellen Fragestellung nicht weiterkommt, können wir Expertinnen und Experten aus unserem Umfeld hinzuziehen, die schnell und unkompliziert mit ihrem Wissen weiterhelfen können. Diese „Experten-Sprechstunde“ mit Akteur:innen aus unserem Netzwerk haben wir zusätzlich zu den bereits bestehenden Angeboten am ZD.B entwickelt und sind schon sehr gespannt, mit welchen Fragestellungen die Teams auf uns zukommen.
Warum braucht man Hackathons? Wie kann man sicherstellen, dass man Ergebnisse erzielt, die nachhaltig sind?
Dominik Golle: Spätestens seit dem WirVsVirus-Hackathon im vergangenen Jahr erleben wir eine regelrechte Hackathonisierung in Deutschland: Hackathons sprießen wie Pilze aus dem Boden und werden als Heilsbringer für die großen Probleme unserer Zeit gehypt. Tatsächlich sind Hackathons ein toller Weg, die Bevölkerung direkt in die Lösung gesellschaftlicher Probleme eizubinden, schnell viele Ideen zu generieren und beeindruckende Netzwerke entstehen zu lassen – wann kann man schon mal einfach so mit Behördenmitarbeitenden über deren tägliche Herausforderungen reden und danach ein großes Internetunternehmen darum bitten, einem eine kostenlose Serverinfrastruktur bereitzustellen?
Dennoch darf man die Augen nicht davor verschließen, dass Probleme wie der Klimawandel oder die gesellschaftliche Polarisierung nicht an einem Wochenende zu lösen sind. Dazu braucht es einerseits ein gesamtgesellschaftliches Umdenken und andererseits langfristige Finanzierung von Infrastruktur und dergleichen. Wenn wir mit Hackathons nachhaltige Veränderungen schaffen wollen, müssen wir davon wegkommen, (nur) schöne Benutzeroberflächen zu entwickeln, sondern das Augenmerk auf weniger sexy Themen wie den Kulturwandel in Wirtschaft und Behörden oder auf staatlich finanzierte, digitale Infrastruktur legen. Außerdem sollten die zivilgesellschaftlichen Organisationen aktiv eingebunden werden, die sich oftmals schon seit Jahren mit der Lösung solcher Fragen beschäftigen.
JETZT MEHR ÜBER DEN HACKATHON ERFAHREN!
Vielen Dank für das Interview!