Quartiersmobilität als Beitrag zu bezahlbarem Wohnraum

Interview mit Sophie Stigliano, Director Urban Standards

Praxisnahe Lösungen für die Immobilienwirtschaft der Zukunft

Welche Innovationen tragen dazu bei, dass die Verkehrswende gelingt? Gerade die Vernetzte Mobilität liefert hier gute Ansätze: Mobility-as-a-Service, Mikromobilität, automatisiertes und vernetztes Fahren sowie eine optimierte Verkehrsplanung und Simulation sind nur einige Beispiele, die die Mobilität von morgen nachhaltiger und klimaschonender gestalten sollen. Ein Mobilitätskonzept mit Potenzial liegt in der Quartiersmobilität, die für Städte immer wichtiger wird. Im Interview mit Sophie Stigliano, Director Urban Standards, erfahren wir die Hintergründe.   

Bayern Innovativ: Warum spielt die Immobilienwirtschaft so eine wichtige Rolle und inwiefern bedeutet die Mobilitätswende auch eine Chance für sie? 

Sophie Stigliano: Jede Projektentwicklung erfordert heute eine sorgfältige Mobilitätsplanung, um die Transformation hin zu Klimaneutralität gewährleisten zu können. Sehr wichtig ist dabei, die Balance zwischen Stellplätzen und Mobilitätsdienstleistungen zu finden und über den Lebenszyklus des Quartiers zu steuern. Je durchdachter das Mobilitätskonzept ist, desto weniger Investitionen in Stellplätze müssen getätigt werden. 75 Prozent der Wege starten von zu Hause. Wenn wir es schaffen, durch immobilienbezogene Mobilitätskonzepte auf städtische Klimaziele einzuzahlen, kommen wir der Mobilitätswende einen Schritt näher. 

"Wenn wir es schaffen, durch immobilienbezogene Mobilitätskonzepte auf städtische Klimaziele einzuzahlen, kommen wir der Mobilitätswende einen Schritt näher."

Sophie Stigliano, Director Urban Standards

Wenn es um Quartiersmobilität geht, fällt häufig der Begriff „Mobilitätshub“. Was genau versteht man darunter?  

Sophie Stigliano: Ein Quartiers-Mobilitätshub ist ein zentraler Punkt innerhalb eines Wohn-/Gewerbequartiers, der verschiedene Mobilitätsangebote nahtlos miteinander verbindet, also beispielsweise Sharing-Dienste, ÖPNV-Angebote und aktive Mobilitätsformen, wie Radfahren. Ein solcher Hub maximiert den Zugang zu geteilten Mobilitätsangeboten und anderen wichtigen Ressourcen (bspw. Paketstationen) direkt im Quartier und erleichtert den Zugang zu verschiedenen Modi entlang der unterschiedlichen Mobilitätsbedarfe. Somit integriert er Infrastrukturen, wie Ladestationen für E-Fahrzeuge, und Fahrräder sowie -Strategien, um die Aufenthaltsqualität zu fördern. 

Sie haben das Forschungsprojekt „Mobilitätsdienst-Integration für die Immobilienwirtschafts und die Quartiersentwicklung“ (MIIQ), das Teil des Bayerischen Verbundforschungsprogramms (BayVFP) ist, zusammen mit Partnern geleitet. Was waren Ihre konkreten Aufgaben in dem Projekt und wobei hat Ihnen das Forschungsprojekt besonders geholfen?  

Sophie Stigliano: Die Idee stammt von uns. Mit Exxeta und ParkHere hatten wir kompetente Partner zur softwaretechnischen Umsetzung und dynamischen Parkraumanagement an unserer Seite. Wir haben die Prozesse koordiniert und die Grundidee der intelligenten Steuerung und Finanzierung von Mobilitätskonzepten in der Immobilienwirtschaft mitgebracht. Eine der größten Herausforderungen war es, die Logik der Mobilitäts-Abo-Struktur technisch stringent umzusetzen. Das Projekt hat uns geholfen, praxisnahe Lösungen in Form der Mobility Integration Management Plattform (MIM) zu entwickeln, die in der Immobilienwirtschaft direkt anwendbar sind. 

Wie funktioniert MIM in der Praxis und an wen richtet es sich besonders?  

Sophie Stigliano: MIM ist eine digitale Plattform und das Herzstück des Quartiersmobilitätsbetriebs, die im Rahmen dieses Forschungsprojekts entwickelt wurde. Die Software basiert auf einem Geschäftsmodell mit drei Hauptkomponenten: der Quartiersmobilitätsgesellschaft als wirtschaftliche Einheit, den Mobilitätsangeboten, wie geteilter Mobilität und Parkplatzverwaltung, sowie den Mobilitätsabonnements, über die diese Angebote vermarktet werden. MIM steuert dynamisch die Mobilitätsangebote und das Parkraummanagement und kann flexibel in verschiedenen Quartierstypen eingesetzt werden, von Mischnutzquartieren über Gewerbegebiete bis hin zu Wohnimmobilien. Durch die Abo-Struktur trägt MIM dazu bei, langfristig die Abhängigkeit von Subventionen zu reduzieren und wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu fördern. 

Was ist der Mehrwert eines integrierten Mobilitätsmanagements? 

Sophie Stigliano: Das variiert je nach Stakeholder: Entwickler profitieren von der nahtlosen Integration von Mobilitätslösungen in Immobilienprojekte durch Baukosteneinsparung und Einzahlung auf Nachhaltigkeitsziele entlang der Environmental Social Governance Kriterien (ESG) durch CO2 Reduktion. Darüber hinaus gewinnt die Verwaltung durch Prozessdurchgängigkeit, Rechtssicherheit und langfristige Bewirtschaftung. Für Nutzende bieten individuell anpassbare Abos, ein geschlossener Nutzerkreis und günstige, gemeinschaftsorientierte Alternativen zum eigenen Auto klare Vorteile. Insgesamt ermöglicht das Produkt eine intelligente Steuerung des Parkraums über eine digitale Plattform, die verschiedene Mobilitätsangebote verknüpft und so den Verzicht auf private Pkw fördert 

Als Teil des Forschungsprojektes haben Sie die MIM Software drei Monate in München getestet. Wie lief das konkret ab?  

Sophie Stigliano: Der Testlauf in München hat uns wertvolle Praxiserfahrungen und Daten geliefert und verdeutlicht, wie wichtig es ist, dieses Format zu nutzen, um sowohl die Nutzende als auch die Verwaltung für das Thema Quartiersmobilität zu sensibilisieren. Gerade haben wir in Frankfurt eine weitere temporäre Mobilitätsstation mit einem Wohnungsentwickler aufgebaut, die wir Interessierten präsentiert haben. Dadurch konnten wir die theoretische Mobilitätskonzeption in die Praxis überführen und den Teilnehmenden die Möglichkeit geben, die Funktionen und Potenziale der Software selbst zu erkunden und zu testen. Weitere Demo-Betriebe sind derzeit in Planung. 

Zum Schluss möchten wir noch den Blick in die Zukunft richten: Welche Potenziale bringt das Geschäftsmodell mit sich? Wie sehen die nächsten Schritte aus? 

Sophie Stigliano: Dadurch, dass kosteneffiziente und umweltfreundliche immobilienbezogene Mobilitätslösungen integriert werden, hat das Geschäftsmodell das Potenzial, den Immobilienmarkt nachhaltig zu verändern. Ziel dabei ist es, ein standardisiertes Modell für integrierte Quartiersmobilität zu entwickeln, das in verschiedenen Quartiersentwicklungen angewendet werden kann. Deshalb arbeiten wir mit relevanten Immobilienentwicklern und Städten zusammen, um das Prinzip von vornherein in der Bauleitplanung zu verankern.  

Das klingt nach einem zukunftsfähigen Mobilitätskonzept! Vielen Dank für die interessanten Einblicke. 

Besuchen Sie unsere Netzwerkkonferenz zum Thema

Vernetzte Mobilität – Innovationen für die Mobilität der Zukunft

23. Oktober 2024, München

Bayern Innovativ Newsservice

Sie möchten regelmäßige Updates zu den Branchen, Technologie- und Themenfeldern von Bayern Innovativ erhalten? Bei unserem Newsservice sind Sie genau richtig!

Jetzt kostenlos anmelden