Herr Ladenhauf, was genau versteht man unter bidirektionalem Laden?
Leo Ladenhauf: Beim bidirektionalen Laden kann man das Fahrzeug auch wieder entladen. Der Strom kann also der Fahrzeugbatterie wieder entnommen werden und wird dann zum Beispiel über die Wallbox zurück ins Haus oder ins Netz gespeist. Ein eFahrzeug transportiert dann nicht nur mehr Personen oder Lasten, sondern wird nun auch zum mobilen Energiespeicher.
Guido, wie läuft das Laden von eAutos genau ab?
Dr. Guido Weißmann: Anders als an der Tankstelle gibt es beim Laden nicht den einen Ladevorgang, der immer gleich abläuft: hinfahren-laden-wegfahren. Je nach Ladebedarf und Standzeit kann man drei Ladeverhalten unterscheiden:
- Schnellladen: Möglichst schnell vollladen, z. B. bei langen Fahrstrecken an Autobahnen.
- Zwischendurchladen: Bei passender Gelegenheit nachladen, z. B. während man einkauft oder spazieren geht.
- Alltagsladen: Das regelmäßige Vollladen immer dann, wenn das Fahrzeug ohnehin lange Zeit steht, z. B. über Nacht oder während der Arbeit.
In allen drei Fällen werden heute vorzugsweise unidirektionale Ladesäulen verbaut. Das heißt, dass man die Fahrzeugbatterie nur laden kann, aber keinen Strom zurückbekommt.
Warum ist diese Unterscheidung bzgl. Ladeverhalten so wichtig?
Dr. Guido Weißmann: Weil davon mögliche Ladekonzepte abhängen. Beim Schnellladen will ich einfach möglichst schnell möglichst viel Strom in mein Fahrzeug bekommen. Da ist wenig Raum für verschiedene Ladekonzepte. Dafür bin ich aber bereit, etwas mehr zu zahlen.
Beim Zwischendurchladen könnte ich schon Interesse an intelligenten Ladelösungen haben, also abhängig von der Netzsituation mehr oder weniger Ladestrom.
Das größte Potenzial für intelligente Ladelösungen sehe ich aber im Alltagsladen, weil mein Elektrofahrzeug meist deutlich länger steht als das Vollladen bräuchte. In der Zwischenzeit könnte dann mein eFahrzeug durchaus intelligent oder auch bidirektional geladen werden, abhängig von aktuellen Stromkosten oder Netzbelastungen. Solange das Fahrzeug am nächsten Tag ausreichend voll ist und das Ganze für mich wirtschaftlich interessant ist.
Herr Ladenhauf, stimmen Sie zu?
Leo Ladenhauf: Ja, bidirektionales Laden ist insbesondere für das Alltagsladen interessant, also im Privatbereich oder bei Firmenflotten, aktuell jedoch nicht beim öffentlichen Laden. Ziel ist es, die Standzeiten von eFahrzeugen sinnvoll zu nutzen, während der Arbeitszeit im Büro bzw. zu Hause oder über Nacht, um die Fahrzeuge mit Strom aus erneuerbaren Energien zu laden.
Das setzt intelligente Technik und die Zusammenarbeit verschiedenster Akteure voraus, um die vielen Fahrzeuge und das Netz so zu steuern, dass sich die mobilen eFahrzeugspeicher sinnvoll in die Stromversorgung integrieren.
Was bedeutet dieses Konzept für einen Energieversorger, Herr Uhrig?
Martin Uhrig: Für einen Energieversorger ist das Thema zugleich spannend und herausfordernd. Bisher haben wir regelbare Kraftwerke gehabt, die man so steuern konnte, dass sie den Strom produziert haben, wenn er auf der Verbrauchsseite benötigt wurde. Mit der gestiegenen Erzeugung von regenerativem Strom hat sich das Bild deutlich geändert. Regenerativer Strom ist sehr viel schwerer vorhersagbar. Wir sind vom Wetter abhängig. Das heißt, einen Freiheitsgrad mehr, den es zu kontrollieren gilt. Um die zeitliche Differenz zwischen beispielsweise PV-Stromerzeugung und Stromverbrauch auszugleichen, werden Stromspeicher benötigt. Üblicherweise sind dafür stationäre Speicher angedacht. Wir wissen, wo die stehen, und wie deren Verfügbarkeit ist. Mit den eAutos als mobile Speicher kommt ein weiterer Freiheitsgrad hinzu. Das heißt, die Fahrzeuge bewegen sich. Tagsüber habe ich vielleicht an einem Firmenparkplatz viele Autos und damit viel Batteriespeicherkapazität. Abends sind diese Autos in Wohnvierteln verteilt. Und ich weiß nicht genau, wie gut die Fahrzeuge geladen sind. Viele neue Freiheitsgrade, die zu berücksichtigen sind.