Experten im Interview - 3 Fragen an Stefan Keller, Citrine Informatics

23.08.2024

Mit unserer Reihe „Drei Fragen an…“ interviewen wir ausgewählte Persönlichkeiten zu unterschiedlichen Themen. Die Fragen greifen u. a. Themen auf, die von den Befragten in Form von Impulsvorträgen oder anderen Aktivitäten im Rahmen von Veranstaltungen der Bayern Innovativ diskutiert werden.

Heute richten wir unser Interview an Stefan Keller, Senior Account Executive bei Citrine Informatics. 

Herr Keller, wie können digitale Technologien nachhaltige Werkstoffe und ressourceneffiziente Prozesse vorantreiben?

Stefan Keller: Digitale Technologien spielen eine wesentliche Rolle bei der Förderung nachhaltiger Werkstoffe und ressourceneffizienter Prozesse. Ich sehe hier schwerpunktmäßig drei Möglichkeiten, wie diese Technologien dazu beitragen können:

Bei der Werkstoffentwicklung und -optimierung werden digitale Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen verwendet, um schneller und effizienter neue nachhaltigere und leistungsfähigere Werkstoffe zu entwickeln bzw. diese den sich aktuell rasch ändernden Marktbedingungen (u.a. Rohstoffverfügbarkeit und legislative Änderungen) anzupassen. Hierbei werden bestehende Daten genutzt, um die Eigenschaften von Werkstoffen vorherzusagen und diese bereits virtuell zu optimieren noch bevor physische Materialtest erforderlich sind.

Bei der Produktgestaltung erlauben CAD-Software und Simulationstools es Designern und Produktentwickler diese so zu entwerfen, dass sie weniger Ressourcen verbrauchen, eine längere Nutzungsdauer ermöglichen und danach einfacher recycelt werden können. Digitale Prototypen können getestet und optimiert werden, bevor physische Modelle erstellt werden, was den Materialeinsatz signifikant reduziert.

Im Bereich Produktion ermöglichen Industrie 4.0-Technologien wie das Internet der Dinge (IoT) und digitale Zwillinge eine genauere Überwachung und Steuerung von Produktionsprozessen. Dies führt zu einer effizienteren Nutzung von Ressourcen wie Energie, Wasser und Rohstoffen und zur Steigerung der Produktivität.

Welchen Vorteil bieten Materialdatenbanken bei der Entwicklung nachhaltiger Produkte?

Stefan Keller:  Materialdatenbanken bieten zahlreiche Vorteile bei der Entwicklung nachhaltiger Produkte. Zu den aus meiner Sicht drei wichtigsten gehören unter anderem:

  1. Gut geführte Materialdatenbanken enthalten i. d. R. detaillierte Informationen über eine Vielzahl von Werkstoffen, einschließlich ihrer mechanischen, thermischen und ökologischen Eigenschaften. Dies erleichtert den Designern und Ingenieuren die Auswahl von Materialien, die den Anforderungen an Performance, Nachhaltigkeit und Kosten entsprechen.
  2. Datenbanken ermöglichen einen direkten Vergleich verschiedener Werkstoffe miteinander mehr und mehr auch unter Berücksichtigung von Lebenszyklusanalysen (LCA), CO2-Fußabdrücken, der Recyclingfähigkeit und anderen ökologischen Aspekten.
  3. Die Verwendung von Materialdatenbanken kann die Zeit, die für die Materialauswahl benötigt wird, erheblich verkürzen, eine effizientere Entscheidungsfindung ermöglichen und somit Entwicklungskosten senken. Entwickler müssen nicht manuell nach Materialinformationen suchen oder zahlreiche Tests durchführen, sofern die Daten bereits in der Datenbank vorhanden sind.

Die Benutzeroberfläche einer Material-Datenbank sollte anwenderfreundlich und intuitiv sein, um eine hohe Akzeptanz im Unternehmen zu erzielen. Es ist wichtig, eine einfache und klar strukturierte Oberfläche zu gestalten, die den Anforderungen der Nutzer entspricht.

Stefan Keller, Senior Account Executive bei Citrine Informatics

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen bei der Implementierung solcher Materialdatenbanken in Unternehmen?

Stefan Keller: Die Implementierung von Material-Datenbanken in Unternehmen birgt mehrere Herausforderungen, die sowohl technischer als auch organisatorischer Natur sind. Zu den weitverbreitetsten Hürden zählen aus meiner Sicht:

  • Die teils unzureichende Datenqualität und das erforderliche Datenmanagement – Daten für Materialdatenbanken stammen aus unterschiedlichen Quellen und sind oft nicht standardisiert, was eine Implementierung in eine einheitliche Datenbank erschwert. Oft liegen in Unternehmen veraltete und unvollständige Datensätze vor. Diese müssen zunächst gesichtet und dann relevante Datensätze vervollständigt werden, bevor Sie sinnvoll in einer Datenbank nutzbar sind. 
  • Integration in die bestehende Datenlandschaft - Unternehmen nutzen bereits ERP- oder PLM-Systeme sowie in den Entwicklungslabors LIMS oder ELN-Systeme. Die nahtlose Integration einer Material-Datenbank in diese Systeme erfordert oft individuelle Anpassungen und Schnittstellenprogrammierungen. Die Material-Datenbank sollte mit anderen Tools wie CAD-Software, Simulationstools oder KI-Tools kompatibel sein, um einen effizienten Workflow zu gewährleisten.
  • Change-Management – Die relevanten Mitarbeiter / End-Nutzer müssen früh mit in die Implementierung dieser Datenbanken involviert werden, um die Akzeptanz zu erhöhen. Der Mehrwert für das Unternehmen sowie jeden einzelnen Nutzer muss klar kommuniziert werden, insbesondere wenn Mitarbeiter ihre bestehenden Arbeitsweisen ändern müssen.
  • Die Benutzeroberfläche der Material-Datenbank sollte anwenderfreundlich und intuitiv sein, um eine hohe Akzeptanz im Unternehmen zu erzielen. Es ist wichtig, eine einfache und klar strukturierte Oberfläche zu gestalten, die den Anforderungen der Nutzer entspricht.

Insgesamt erfordert die erfolgreiche Implementierung von Material-Datenbanken nicht nur technologische Lösungen, sondern auch organisatorische Veränderungen und ein starkes Management der Transformation.

Wir bedanken uns sehr für das Gespräch Herr Keller. 
 

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