Webinarreihe „Aus der Forschung in die Praxis“: Unsicherheiten im Unternehmen
Wie können KI-basierte Systeme Entscheidungsträger unterstützen?
Aufgrund von Krisen und technologischen Veränderungen stehen Unternehmen täglich vor Entscheidungen in unsicheren Situationen. Die Vielfalt an Handlungsoptionen und verfügbaren Daten erschwert diesen Prozess. Daher planen immer mehr Unternehmen die Einführung intelligenter Entscheidungsassistenzsysteme für datengetriebene und weniger fehleranfällige Entscheidungen.
In diesem Webinar wird unter anderem eine wirtschaftspsychologische Analyse vorgestellt. Sie zeigt, wie die Effektivität des unternehmerischen Umgangs mit Entscheidungen unter Unsicherheit gesteigert werden kann und welche Rolle Entscheidungsunterstützungssysteme dabei spielen.
Diskutiert werden die Grenzen des menschlichen Urteilsvermögens, die Fähigkeit von KI-basierten Systemen zur Risikoermittlung und Handlungsempfehlungen sowie die Erfahrungen von Unternehmen mit Unsicherheiten.
Erfahrungsbericht über unsichere Zeiten aus der Sicht eines Unternehmens
Ob Finanz-, Euro-, Flüchtlingskrise oder die COVID-19-Pandemie – die Krisen der letzten Jahre und Jahrzehnte stellen für Unternehmen eine kontinuierliche Herausforderung dar. Dr. Daniel Siedl berichtet in seinem Vortrag über seine Erfahrungen als CEO eines großen Bahnbaumaschinen-Herstellers in unsicheren Zeiten. Er gibt Einblicke, wie er und sein Unternehmen mit diesen Herausforderungen umgegangen sind. Der Hersteller war Weltmarktführer und an Erfolge gewohnt, doch plötzlich traten unvorhergesehene Probleme auf: Umsatzrückgang, Verlust und verlängerte Lieferzeiten, die die Motivation der Mitarbeitenden und die Unternehmenskultur beeinträchtigten.
Dr. Siedl und sein Team starteten ein umfassendes Transformationsprogramm zur Neugestaltung der Produktion bis hin zur Implementierung eines neuen ERP-Systems, um das Unternehmen zukunftssicher zu machen und bestehende Prozesse zu verbessern. Diese Herausforderungen wurden jedoch durch die COVID-19-Pandemie verstärkt, die zusätzlich Unsicherheit in die Transformationsprozesse brachte.
Wie man in unsicheren Zeiten den Kurs halten kann
Vor diesem Hintergrund war die Zusammenstellung interdisziplinärer Teams mit unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen ein zentrales Element seiner Führungsstrategie, um komplexe Prozesse besser zu bewältigen. Dr. Siedl hebt hervor, wie wichtig ein positives Menschenbild sowie Vertrauen in die Fähigkeiten und das Engagement der Mitarbeitenden sind. Humor und eine positive Grundhaltung stärken zudem die Moral der Mitarbeitenden selbst in schwierigen Phasen.
Er vergleicht seine Erfahrung mit einem Kapitän auf hoher See, der trotz stürmischer Bedingungen das Schiff sicher auf Kurs halten muss.
Die Unsicherheit durch die Pandemie erforderte schnelle Anpassungen etablierter Arbeitsweisen und Kommunikationsmethoden, wie zum Beispiel die Einführung von Home-Office. Dr. Siedl betont, dass Führungskräfte besonders in Krisenzeiten gefordert sind, trotz Unsicherheiten Entscheidungen zu treffen und positiv zu bleiben. Als Fazit hält er fest, dass die Vorbereitung auf Krisenzeiten in ruhigen Zeiten erfolgen sollte. Offenheit, Transparenz und klare Strukturen sind dabei entscheidend. Vertrauen in die Mitarbeitenden sowie eine positive Grundhaltung helfen, auch schwierige Phasen gemeinsam zu bewältigen.
Als Geschäftsführer der UNITY Austria GmbH stellt Dr. Daniel Siedl heute sein Wissen Unternehmen mit den Themenschwerpunkten strategische Führung, Prozessinnovation und Transformation zur Verfügung.
Entscheidungen unter Unsicherheit aus wirtschaftspsychologischer Sicht – aktueller Stand der Wissenschaft
Was bedeutet Unsicherheit für die Teilnehmenden des Webinars? Mit dieser interaktiven Fragestellung steigt Prof. Dr. Simone Kubowitsch von der Technischen Hochschule Augsburg in ihren Vortrag ein. Die Antworten decken sich mit den Erfahrungen der Personalpsychologin: unübersichtliche Faktenlage, fehlende Erfahrungswerte und widersprüchliche Informationen.
Unsicherheit wird aus psychologischer Sicht durch drei zentrale Faktoren bestimmt: Erstens durch die Unbestimmtheit der Zukunft, da wir nicht wissen, welche Konsequenzen unsere Entscheidungen haben werden. Zweitens durch die Mehrdeutigkeit der Informationen, da Wahrscheinlichkeiten und Fakten oft nicht eindeutig sind. Und drittens durch die Komplexität der Situation, bei der viele Informationen und Variablen die Entscheidungsfindung erschweren.
Der Drang zu schnellen Entscheidungen
Menschen haben ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit und Struktur. Dies führt dazu, dass sie versuchen, Unsicherheiten zu reduzieren. Wenn man sich für den Umgang mit Unsicherheit –die Psychologie spricht von „Ambiguität“ – interessiert, kommt eine psychologische Neigung namens "Need for Closure" zum Tragen. Sie beschreibt das Bedürfnis, schnell zu klaren und eindeutigen Schlussfolgerungen zu kommen. Diese „Closed Mindedness“ beeinflusst Entscheidungen in mehrfacher Hinsicht: zum einen durch den sogenannten Primacy-Effekt, bei dem Entscheidungen oft auf den ersten verfügbaren Informationen basieren. Zum anderen aber auch durch vorschnelle Entscheidungen, die dazu tendieren, dass Personen mit hoher "Need for Closure" schnell und manchmal voreilig handeln. Dazu kommt das Festhalten an Entscheidungen, selbst wenn sich herausstellt, dass diese falsch waren, um Unsicherheiten zu vermeiden. Zusätzlich führt die "Need for Closure" dazu, dass Menschen anfälliger für Stereotype und Vorurteile werden, um Komplexität zu reduzieren. Prof. Kubowitsch hebt außerdem hervor, dass Entscheidungen oft durch die Art und Weise beeinflusst werden, wie Informationen präsentiert werden.
Strategien für mehr Resilienz
Nicht zu entscheiden, ist keine Lösung, so Prof. Kubowitsch. Um die Entscheidungsfindung unter Unsicherheit zu verbessern, empfiehlt sie mehrere Strategien. Dazu gehören die Trennung von Fakten und Vermutungen, die Konzentration auf verlässliche Informationen, die Etablierung von Standardprozessen und Richtlinien für wiederkehrende Entscheidungen. Zudem sollten mögliche Szenarien zur besseren Einschätzung von Risiken entwickelt werden sowie große Entscheidungen in kleinere, überschaubare Schritte aufgeteilt werden. Darüber hinaus betont sie die Bedeutung von Teamarbeit und Schwarmintelligenz, um in einer psychologisch sicheren Umgebung gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Auch datenbasierte Entscheidungen werden in Zukunft eine größere Bedeutung bekommen – auch durch die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz.
Unternehmerische Implementierung KI-gestützter Entscheidungsunterstützungssysteme
Prof. Dr. Sarah Hatfield von der Technischen Hochschule Augsburg stellt in ihrem Vortrag das Forschungsprojekt "AIXPERIMENTATIONLAB" vor, das die unternehmerische Implementierung KI-gestützter Entscheidungsunterstützungssysteme untersucht. In dem auf drei Jahre angelegten Projekt wurde die Frage untersucht: Wie lässt sich Arbeitsstress durch die gezielte Kombination von menschlichen und maschinellen Fähigkeiten reduzieren? Das Thema hängt stark mit der Mensch-KI-Schnittstelle zusammen, insbesondere in Entscheidungssituationen, die durch wachsende Datenmengen und zunehmende Komplexität gekennzeichnet sind.
Intelligente Assistenten unterstützen bei der Entscheidungsfindung
Hatfield erläutert, dass Augmented Intelligence-Systeme im Gegensatz zu vollständig automatisierten Systemen auf die Zusammenarbeit von Mensch und KI setzen. Hierbei bereiten KI-Anwendungen Entscheidungshilfen vor, während Menschen die endgültigen Entscheidungen treffen. Diese Systeme sind besonders nützlich in Bereichen wie der Medizin, wo sie Ärzten helfen können, fundierte Diagnosen zu stellen. Ein Beispiel dafür ist die Radiologie, wo die künstliche Intelligenz Ärzte bei der Analyse von Röntgenbildern unterstützt. Allerdings zeigte sich in Studien, dass erfahrene Radiologen oft skeptischer gegenüber den Empfehlungen der KI sind, während weniger erfahrene Ärzte die Unterstützung eher begrüßen. Eine wichtige Erkenntnis war, dass das blinde Vertrauen in KI-Empfehlungen zu Fehlern führen kann, insbesondere wenn die KI eine falsche Diagnose stellt.
Prof. Hatfield betont die Notwendigkeit, die KI in der Entwicklung und Implementierung kritisch zu überwachen und schrittweise auszurollen. Dabei sei es wichtig, die Nutzer frühzeitig einzubeziehen und ihre Bedürfnisse und Erwartungen zu berücksichtigen. Workshops zur Erstellung von Personas und zur Entwicklung von Prototypen helfen dabei, die Anforderungen der verschiedenen Nutzergruppen zu verstehen und die KI-Systeme entsprechend anzupassen.
In der Praxis erprobt
Ein Beispiel für die praktische Anwendung von KI-Systemen wird anhand des am Forschungsprojekt beteiligtem Partnerunternehmen HEIM & HAUS Bauelemente erläutert, das KI für die Priorisierung von Montageaufträgen nutzt. Dabei kombinieren die Montagekoordinatoren die Empfehlungen der KI mit ihrer eigenen Erfahrung, was zu einer verbesserten Auftragsbearbeitung führt.
Abschließend stellt Prof. Hatfield heraus, dass eine erfolgreiche Implementierung von KI-Systemen eine klare Kommunikation, schrittweise Einführung und kontinuierliche Anpassung an die Nutzerbedürfnisse erfordert. Dies fördert positive Nutzererfahrungen und stellt sicher, dass die Systeme effektiv und effizient eingesetzt werden. Die Ergebnisse und Empfehlungen aus dem Forschungsprojekt wurden in einem Anwenderleitfaden zusammengefasst, der praktische Tipps zur Entwicklung und Implementierung von KI-Systemen enthält.
Der Leitfaden kann kostenfrei unter folgendem Link heruntergeladen werden:
Welche Tools stehen zur Verfügung und wie kann man sie nutzen?
Wie kann künstliche Intelligenz die Entscheidungsfindung im Unternehmen erleichtern und welche KI-Tools stehen besonders mittelständischen Unternehmen aktuell zur Verfügung? Um diese Fragen dreht sich die anschließende Diskussionsrunde. Der Einsatz von KI-Entscheidungstools in der Unternehmensführung macht z. B. bei komplexen Problemen, wie der Priorisierung von Aufträgen oder der Optimierung von Lieferketten Sinn, wenn die Datenlage gut vorbereitet ist. Ein Fokus sollte darauf liegen, mehr datengetriebene Entscheidungen zu treffen, anstatt sich nur auf das Bauchgefühl zu verlassen. Bei den KI-Tools gibt es tatsächlich bereits viele Entwicklungen, die aber immer vom jeweiligen Anwendungsbereich abhängen. Hier sollte man sich an die jeweiligen Experten, z. B. für Sprachverarbeitung, Mustererkennung oder Data Science wenden. Zum Abschluss wurde die Herausforderung der Schaffung einer soliden Datenbasis für kleinere Unternehmen diskutiert. Auch hier wird auf die Notwendigkeit von Experten verwiesen, um strukturierte Prozesse zu entwickeln, die auch in kleinen Unternehmen umsetzbar sind.
Die Webinarreihe „Aus der Forschung in die Praxis“
In der Webinarreihe „Aus der Forschung in die Praxis“ geben Forschungseinrichtungen und Unternehmen Einblicke in aktuelle Forschungsaktivitäten und diskutieren diese mit den Teilnehmenden. Ziel ist es, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen dabei zu unterstützen, digitale Technologien in ihren Produktionsprozessen und in ihrem Engineering sinnvoll zu nutzen.
Sie erreichen das Team des Clusters Mechatronik & Automation von Bayern Innovativ persönlich oder sie kontaktieren uns per E-Mail: Per Mail kontaktieren.
Kontaktdaten der Referierenden
Dr. Daniel Siedl
Gründer & CEO, UNITY Austria GmbH
Per Mail kontaktieren
Prof. Dr. Simone Kubowitsch
Technische Hochschule Augsburg
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Prof. Dr. Sarah Hatfield
Technische Hochschule Augsburghidden
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Kommende Veranstaltungen und weiterführende Informationen
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13.06.2024 - Webinar „The Next Big Thing”: “Vorbereitet sein ist alles: NIS2 und die Herausforderungen für Unternehmen“
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25. und 26. September 2024 - Internationales Forum Mechatronik in Cham
Webinarreihe "Aus der Forschung in die Praxis"
Die Termine der Webinare aus der Reihe „Aus der Forschung in die Praxis“ finden im Abstand von ca. 2 Monaten, jeweils Donnerstag von 13:00 bis 14:30 Uhr statt.
Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei. Der nächste Termin findet am 18.07.2024 statt.
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