Krisenbewältigung: Innovationspionier Matthias Falk über die Bedeutung von Resilienz und innovativem Mindset

27.08.2024

Starkregenereignisse sind immer häufiger zu beobachten und stellen ein wachsendes Risiko für Unternehmen dar. Sie bedrohen nicht nur Infrastrukturen, sondern auch die wirtschaftliche Existenz. In einer solchen Situation sind sowohl technologische Lösungen als auch ein innovatives und resilientes Mindset gefragt. Das Unternehmen Spekter – führend im Bereich des Starkregen-Risikomanagements – hat es sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmen bei der Bewältigung dieser Herausforderungen zu unterstützen. Doch wie entstand die Idee hinter Spekter? Und welche Rolle spielt ein positives Mindset in Krisenzeiten? Diese Fragen beantwortet Matthias Falk, CTO von Spekter. 

Euer Geschäftsführer musste am eigenen Leib erfahren, was es heißt, wenn Unwetter unternehmerische Schäden anrichten. Deshalb habt ihr eine innovative Lösung entwickelt, richtig? 

Matthias Falk: Exakt. Im Jahr 2007 gab es im Norden von Erlangen in der Stadt Baiersdorf ein Starkregenereignis. In diesem Gebiet gibt es sehr viele Ebenen, die bei starkem Regen mit Wasser volllaufen können. Und das Ereignis damals war so stark, dass dort Wasser auf der Autobahn A73 stand, sodass die Leute mit Booten aus ihren Autos herausgeholt werden mussten. Unser jetziger Geschäftsführer, Rainer Brodrecht, war damals als Bauingenieur verantwortlich für die Planung eines Neubaugebietes, das genau dort stand, wo die Überflutungen geschahen. Dort standen Häuser, die erst zwei bis drei Monate bezogen waren und dann komplett unter Wasser standen. Da ist die Frage aufgekommen: Was kann man besser machen? Kann man so etwas früher sehen? Gibt es Maßnahmen, die man vielleicht treffen kann? 

Wie funktioniert dieses Frühwarnsystem nun konkret? 

Matthias Falk: Das Frühwarnsystem besteht zum ersten aus Sensoren, die am Boden verbaut werden. Das System heißt Ground Truth, also eine „Wahrheit am Boden“. Wir haben zwar auch Wetterdaten von den Radarsystemen, z. B. des Deutschen Wetterdienstes oder auch aus anderen meteorologischen Instituten, die wir mit verwenden können. Allerdings ist es so, dass diese Daten zwar spiegeln, was im Großen gerade passiert, aber nicht genau, was im Kleinen passiert. Mit diesen Daten kann man keine Stadtteile überwachen oder auch nicht auf der Straßenebene arbeiten. Sondern man kann alles nur im Ganzen wirklich betrachten. Deswegen arbeiten wir mit Sensoren am Boden. Wir haben dort Niederschlagssensoren und Gewässerpegelsysteme, die den Stand des nächsten Gewässers, zum Beispiel eines Flusses oder eines Baches, messen können. Zusätzlich haben wir im Kanalnetz Sensoren, um zu sehen, wie der Zustand des Kanalsystems in Echtzeit aussieht. Diese Daten werden in Echtzeit übertragen.  
Anschließend kommen noch die Prognosemeldungen von den Wetterdiensten mit hinein und zusammen sind dann ganz viele Datenquellen mit eingebunden. Alle diese Quellen werden analysiert und am Ende kommen richtige Alarmierungen heraus. Diese Warnungen werden dann per SMS, per Push-Notification und über andere Kanäle an die Bürgerinnen und Bürger, Rettungskräfte sowie Verwaltungen verteilt. Hier spielen z. B. auch Bauhöfe eine wichtige Rolle. 

Welche entscheidende Rolle spielen hierbei Echtzeitdaten? 

Matthias Falk: Echtzeitdaten sind wichtig. Sie sind die Grundlage des ganzen Systems. Wir wollen schnell alarmieren können und Überflutungszustände in Sekundenschnelle registrieren, verarbeiten und dann auch entsprechend warnen können.  
Wie war es früher? Das ist eine interessante Geschichte. Ich hatte Kontakt mit einem Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamtes in Nürnberg, der für die Pegel verantwortlich ist. Er hatte uns erzählt, wie früher Pegel-Messwerte an Gewässern beobachtet wurden. Da war dann jemand gestanden, der das gemessen und protokolliert hat. Die Messungen wurden in einem Ordner abgeheftet und dann zur Auswertung in die Zentrale gebracht. Da sind wir heutzutage schon weiter. Also gerade jetzt können wir mit Technologien wie NB-IoT, demnächst vielleicht auch über den Satelliten, Daten in Millisekunden übertragen.  

Heißt, Daten und Datenräume retten tatsächlich Leben?  

Matthias Falk: Auf jeden Fall. Sie spielen eine wichtige Rolle in dem ganzen Konzept der Frühalarmierung und Frühwarnung. Die grundlegenden Technologien sind heute da und wir können auf sie zurückgreifen und sie nutzen. 2007 waren sie wahrscheinlich eben noch nicht da oder vielleicht nur in den Anfängen. Jetzt kann man sie nutzen, jetzt muss man sie sogar nutzen. 

Gibt es Punkte, die ihr als Team noch verbessern möchtet? 

Matthias Falk: Ich denke, es gibt immer einen Raum an Verbesserungen und es gibt immer noch Luft nach oben. Wir können Sensoren verbessern, unsere Algorithmen in den Cloud-Services verbessern und wir können hier und da noch schneller warnen. Das ist alles möglich. Was mir persönlich viel Spaß macht, ist der Grund, dass man hier wirklich einen Impact schafft. Ich hatte vorher schon in ganz vielen Softwarefirmen gearbeitet, habe viele Firmen gesehen und auch schon mitgeholfen etwas zu gründen. Aber ich denke, das, was ich im Moment mache, kann schon jeden Tag einen größeren Impact schaffen. Hier sehe ich wirklich, dass wir Leuten helfen können und schlussendlich wirklich Leben retten können. Ja, wir retten nicht direkt Leben, das sind die Einsatzkräfte vor Ort, aber wir können sie bei ihrer Arbeit unterstützen. Dieser Punkt ist für uns als Unternehmen entscheidend und ich glaube jeder von uns im Team hat dieses Mindset. Jeder weiß, dass wenn unsere Systeme super funktionieren, dann kann es wirklich eine Veränderung schaffen.  

Wie würdest Du das Mindset Eures Teams in einem Satz beschreiben?  

Matthias Falk: Ich vermute meine Kolleginnen und Kollegen so gut zu kennen, dass ich sagen kann, dass wir ein Mindset haben, wirklich jeden Tag einen Impact zu schaffen und dabei zu helfen, Menschenleben zu retten. 

Ihr agiert nicht komplett allein. Wie wichtig sind das Netzwerk und die Partnerschaften “im Hintergrund”?  

Matthias Falk: Also Partnerschaften sind sehr wichtig. Wir arbeiten mit großen Telekommunikationsunternehmen, wie der Deutschen Telekom, sehr eng und exklusiv zusammen. Wir haben aber auch kleinere Start-ups, mit denen wir zusammenarbeiten, die vielleicht erst vor einem Jahr gestartet sind aber in einer Nische gut sind. Wir haben verschiedene Joint Ventures in den verschiedenen Bundesländern. Wir arbeiten z. B. in der Schweiz mit der Swisscom zusammen, was auch ein recht großer Partner von uns ist. Partnernetzwerke sind das A und O. Ohne Partnernetzwerk würde das Ganze nicht funktionieren.  

Es ist ein offenes Geheimnis, dass hierzulande im Bereich der Behörden jedes Bundesland, jeder Landkreis seine eigene Lösung baut. Der Mobility Data Space ist eine Lösung, die keine Insel ist. 

Matthias Falk, Gründer und Chief Technology Officer, Spekter GmbH 

Ein Netzwerk, in dem Ihr stark aktiv seid, ist der Mobility Data Space, der auch mit Bayern Innovatv in Verbindung steht. Inwiefern hat er Euch geholfen? 

Matthias Falk: Der Mobility Data Space und die Kollegen dort, das ist wirklich eine einmalige Konstellation in Deutschland. Was macht der Mobility Data Space? In Kürze: Wir sammeln dort ganz viele Daten und stellen diese über eine einheitliche Schnittstelle zur Verfügung, über so eine Art Marktplatz. 

Ich kann sagen, dass uns der Mobility Data Space schon sehr weitergeholfen hat, was z. B. die Landespegel vom Wasserwirtschaftsamt angeht. Diese Daten standen nicht über eine Schnittstelle zur Verfügung und man konnte diese Daten nicht einheitlich oder über den offiziellen Weg herbekommen.  

Der Mobility Data Space kann so etwas umsetzen. Besonders für Wetterdaten oder auch Daten von Fahrzeugen ist das wichtig. Wir haben z. B. ein Forschungsprojekt in Markt Ergoldsbach, das auch vom Bayerischen Staat unterstützt wird. Da geht es darum zu sehen, welchen Impact haben Autos auf die Wettervorhersage und die Vorhersage von Starkregenereignissen. Die Autos sammeln während der Fahrt sehr viele Daten und Dank des Mobility Data Space können wir zum Beispiel auch auf die Fahrzeugdaten von BMW oder Audi zugreifen. Und das ist schon eine tolle Sache.  

Heißt, Eure innovative Lösung wäre ohne den Mobility Space nicht umsetzbar gewesen? 

Matthias Falk: Das stimmt. Wir haben in Deutschland ganz viele Insellösungen, auch im Bereich der Behörden. Jedes Bundesland, jeder Landkreis baut seine eigene Lösung. Der Mobility Data Space ist eine Lösung, die keine Insel ist, sondern ein großer Hafen für Daten mit einheitlichen Strukturen. Vernetzungen für eine größere Sache. Das sind auch nicht nur Daten aus Deutschland, sondern wir haben z. B. auch mit einer Firma aus Schweden zu tun, die bietet spezielle Wetterdaten an, die mit speziellen Sensoren nochmal kalibriert werden. 

Was bedeutet für Dich Resilienz und was rätst Du KMU, wie sie resilienter werden können? 

Matthias Falk: In unserer Tätigkeit ist Resilienz sehr wichtig. Unser Klima verändert sich, d. h. wir alle müssen Resilienz schaffen. Ich denke wir tun das mit den Lösungen, die wir bei Spekter unseren Kommunen anbieten können. Was heißt für mich Resilienz für KMUs? Das Umfeld ändert sich, genauso wie sich das Klima gerade ändert. Man sieht, dass wir gerade viele Krisenherde in Europa haben, von Kriegen bis zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland. Besonders KMU- und die Start-up-Ökosysteme haben hier aber auch eine extreme Chance, wirklich Fuß zu fassen, erfolgreich zu sein und neue Lösungen auf den Markt zu bringen. 

Welche Tipps gibst Du KMU bzgl. Krisenmanagement mit auf den Weg?  

Matthias Falk: Ich möchte jetzt nicht unseren Partnern bei der Feuerwehr oder den Katastrophenschutzbehörden in den Kommunen vorweggreifen, aber wie gelingt Krisenmanagement am besten? Am wichtigsten ist die Vorbereitung. Ein gutes Beispiel ist die Gemeinde Adelsdorf, die eine unserer ersten Kommunen war, welche wir betreut haben. Sie bilden mittlerweile ihre Feuerwehr und ihre Rettungskräfte in einem Krisenstab weiter. Sie haben sich dem Thema Starkregen angenommen. Das gab es früher auch bei den Feuerwehren noch nicht wirklich. In jedem Gebäude gibt es Brandmeldeanlagen und Einsatzpläne, die erklären, was bei einem Brand zu tun ist. Bei einem Verkehrsunfall sieht es ähnlich aus. Etwas Vergleichbares gab es einfach für Starkregen nicht. Die Feuerwehr in der Gemeinde hat diese Pläne ausgearbeitet und somit wirklich gute Grundlagenarbeit geleistet. 

Also was ist mein Tipp? Ich denke, dass jede Kommune sich definitiv auf den Fall der lokalen starken Überflutungen durch Starkregen vorbereiten muss. Das Klima verändert sich, dadurch verändert sich unser Wetter. Daher das Thema Resilienz: Wir müssen uns anpassen. 

Also geht es darum, mithilfe von Methoden immer wachsam zu sein? 

Matthias Falk: Genau, also Wachsamkeit ist natürlich eine wichtige Sache. Und gerade durch so Themen wie ein Frühalarmsystem muss man nicht mehr, wie der Pegelwärter des Wasserwirtschaftsamtes, jeden Tag vor Ort beobachten. Heutzutage gibt es Systeme und Technologie, die 24/7 wachsam sind, Menschen unterstützen und die so wirklich einen Impact schaffen.  

Das Interview führte Dr. Tanja Jovanovic, Leitung Marketing und Innovationsmanagement, Mitglied der Geschäftsleitung, Bayern Innovativ GmbH, Nürnberg.

Länge der Audiodatei: 00:15:33 (hh:mm::ss)

Innovationspionier Matthias Falk über Krisenmanagement und das Mindset für Macher (14.08.2024)

Der Innovationspionier Matthias Falk, Gründer und Chief Technology Officer der Spekter GmbH, spricht mit Moderatorin Dr. Tanja Jovanović über Starkregen-Risikomanagement und wie man unternehmerische Schäden durch Naturereignisse auch positiv nutzen kann.

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