Wird Bayern bis 2040 klimaneutral?
Spätestens bis zum Jahr 2040 soll Bayern klimaneutral sein. So schreibt es das bayerische Klimaschutzgesetz. Wichtige Partner im gemeinsamen Engagement für einen klimaneutralen Freistaat sind auch die mehr als 2000 Landkreise, Städte und Gemeinden. Zusammen mit den Menschen vor Ort setzen sich viele aktiv für den Klimaschutz ein, haben bereits Konzepte und Selbstverpflichtungen erarbeitet sowie Projekte gestartet und umgesetzt. Aber nicht nur Kommunen, sondern auch Unternehmen nehmen mittlerweile ihre Energieerzeugung und ihre Energieversorgung mehr und mehr selbst in die Hand. Norbert Zösch, Marco Krasser und Andreas Müller sind mit ihren Kommunen beziehungsweise Unternehmen Vorreiter auf dem Weg zur Klimaneutralität und berichten aus der Praxis.
Nehmen Sie uns sein bisschen mit in Ihre Green factory. Was produzieren Sie, Herr Müller?
Andreas Müller: Wir produzieren schwerpunktmäßig Lüftungskanäle, Stahlbau- Komponenten, aber auch im großen Stil fertige Energiemodule für Stadtwerke, für Energieversorge, das heißt schlüsselfertige Energielösungen im Container, im Energiemodul. Wir haben am Standort knapp 200 Mitarbeiter beschäftigt, von Ingenieuren über Konstrukteuren bis zur Inbetriebnahme, und das war unsere Motivation, das von vorne weg klimaneutral herzustellen.
Sie haben aufgrund Ihrer Großmaschinen einen hohen Energieeinsatz im Unternehmen und generell muss eine Fabrik mit 200 Mitarbeitenden mit Energie betrieben warden. Wie sind Sie es angegangen und was sind die Potenziale?
Andreas Müller: Wir haben große Maschinen wie Laser, die Lackieranlagen und wir haben eine sehr intensive Analyse gemacht, also im Endeffekt einen Forecast, wie wir den Energieverbrauch abschätzen über den digitalen Zwilling. Dann haben wir im Rahmen von einem digitalen Zwilling geschaut, wieviel können wir mit Photovoltaik abbilden? Was fehlt uns noch an Energie? Wie können wir diese erzeugen am Standort? Und so sind wir die Thematik eigentlich angegangen. Also wie gesagt, saubere Analyse und dann schauen, wie kann man Solarstrom bestmöglichst integrieren – mit der Batterie, mit der Wärmepumpe, mit BHKW mit Ökogas als Back-up. Wenn natürlich kein Wind und keine Sonne da sind, brauchen wir weitere Versorgung. Und das war eigentlich die Motivation. Und dann natürlich, Energie zu flexibilisieren. Das heißt, wir haben Anlagen, die laufen nur im Strom-Überschuss. Wir machen Stickstoff, Schweißgase nur im Strom-Überschuss. Wir betreiben unsere Lakieranlagen nur im Strom-Überschuss. Aber auch das Laden von Autos: Wir haben knapp 30 Ladepunkte am Standort. Wir laden die Autos nach Lastmanagement, das heißt, wenn die Sonne mehr wird, dann werden die Autos mehr geladen und wenn die Sonne wieder nachlässt, werden die Autos wieder weniger geladen. Also letztendlich haben wir eine stationäre Batterie, aber im Zuge des Ausbaus unserer E-Flotte sehen wir die Autos natürlich auch als Energiespeicher.
Können Sie überschüssigen Strom eintakten? Nutzen Sie dafür Wettervorhersagen und wissen, wann viel Sonnenstrom vorhanden ist, um produzieren zu können?
Andreas Müller: Also, wir haben mehrere Tools. Zum einen haben wir die Wettervorhersage, wir sehen die Energie-Vorschau. Aber da die Anlage mit 1,5 Megawatt relativ großzügig dimensioniert ist und wir den ganzen Tag Flächen als Energieflächen sehen, haben wir meistens so ab acht, neun Uhr Strom-Überschuss. Ja, und unser Werk hat einen Verbrauch zwischen 150 und 250 kW und meistens so ab halb neun, halb zehn sind wir meistens im Solar-Überschuss. Und dann kann man natürlich das Regeln anfangen. Und gerade so Themen wie die Herstellung von Stickstoff für unsere Laser können wir sehr variabel betreiben, aber auch Lakier-Tätigkeiten. Wir haben nur drei, vier Stunden, wo wir am Tag lackieren müssen, manchmal einen Tag auch gar nicht. Und die Leute haben inzwischen schon eine gute Einschätzung auch zu den Energieampeln in unserem Unternehmen, aber auch letztendlich über unsere ganze Produktionsplanung haben wir da letztendlich sehr gute Erfahrungen gesammelt. Es gibt bei vielen Unternehmen Energie- Flexibilisierungsmöglichkeiten. Aber der Anfang ist eigentlich der Aufbau vom Energiemanagement-System. Erstmal das Werk zu verstehen, was man überhaupt machen kann und da haben wir natürlich sehr viel gelernt. Ja, wir fahren auch die Lüftungsanlage modular hoch, also ich brauche nicht früher mit 50.000 Kubikmeter Luft starten, wenn noch gar niemand in der Halle ist, sondern wir fahren die Lüftungsanlagen eigentlich auch langsam hoch und man fängt dann an, wirklich auch zu schauen, was kann man einsparen. Also diese Energiemanagementsysteme sind ja wirklich nicht nur für einen flexibler Betrieb, sondern auch zum Energie-Einsparen da. Wenn das Ganze transparent wird, dann kann man aus meiner Sicht in vielen Fabriken 10, 20 Prozent sparen, nur durch Erkennen von Verbräuchen, wo es letztendlich hingeht, Standby-Verluste von Bildschirmen und und es sind viele, viele kleine Themen, da 500 Watt, da ein kW. Aber wir haben gesagt, wenn in der Produktion ein kW nichts mehr bedeutet, warum soll dann soll dann überhaupt im Haus noch jemand das Licht ausmachen? Also, die Motivation muss einfach sein, auch in Industrieunternehmen jedes kW anzuschauen, sonst kann der Häuslebauer Tag und Nacht alles brennen lassen.
Marco Krasser, Sie haben ein gesamtheitliches System mit Ihren Stadtwerken Wunsiedel aufgebaut. Haben Sie auch Energieampeln oder wie gehen sie mit ihrem Energienetz um?
Marco Krasser: Also, wir haben keine Energieampeln in dem Sinne. Natürlich überwachen wir unsere Netze online und auch digital. Allerdings haben wir uns vor mehr als 20 Jahren auf den Weg gemacht in die Energiezukunft. Wir nennen das bewusst nicht Wende, weil wir ja nicht umkehren wollen, sondern wir wollen in die Zukunft schauen. Wir haben uns auf den Weg gemacht, ein Sektor-übergreifendes dekarbonisiertes System über alle Sektoren hinweg aufzubauen und eben vor 20 Jahren begonnen mit der Energieerzeugung: Photovoltaik, dann auch das Thema Biomasse und Wind. Wir sind mittlerweile der größte Windmüller im Landkreis. Dann gefolgt von der Elektrolyse, die 2015 / 2016 zumindest mal gebaut wurde, mit entsprechenden Wasserstoff-BHKWs im Vorgriff. Wir haben das Thema Biomasse genutzt, indem wir zwei große Pelletierungen erstellt haben, weil – und das ist der Hintergrund – wir eben davon ausgehen, dass wir weg müssen vom Wirkungsgrad-Denken und hin müssen zu einem Gesamt-Nutzungsgrad-Denken: keinen Müll zu produzieren, also auch keinen Abfall aus der Energiewirtschaft zu produzieren und dabei die mögliche und die vorhandene Infrastruktur möglichst effizient zu nutzen. Zum Thema Wirkungsgrad- Nutzungsgrad vielleicht nur ein kleines Beispiel, weil das hilft uns, wenn wir ein fossiles Kraftwerk, den elektrischen Wirkungsgrad um ein Prozent verbessern. Jeder schreit “Hurra”, aber dennoch mehr als 30 Prozent der eingesetzten Primärenergieträger über Dach vernichten, indem wir die Wärme nicht nutzen. Da ist es doch sehr viel besser, ein Biomasse- Heizkraftwerk vielleicht mit 17 Prozent elektrischen Wirkungsgrad zu betreiben, aber eben mit einem Gesamt-Nutzungsgrad von nahezu 100 Prozent, weil wir eben die Abwärme nutzen, speichern und dann wieder zu Energie machen. Denn kein Unternehmen kann es sich erlauben, im Winter eben nicht zu produzieren, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Und deshalb müssen wir die Energiemengen – und das ist die größte Herausforderung, die uns ansteht – die großen Energiemengen vom Sommer in den Winter transportieren. Das geht zum einen über Biomasse und zum anderen natürlich übers Molekül, über die Elektrolyse und eben auch über Batteriespeicher. All diese Systeme sind installiert, sind mit dem digitalen Zwilling vernetzt, so dass wir in Zukunft uns auch mit den nächsten Netzebenen oder eben anderen Stadtwerken, die ähnlich denken, entsprechend vernetzen können, um dann Potenziale und auch Bedarfe entsprechend auszugleichen. Also ein dezentral aufgebautes System, das durchaus zentral organisiert sein kann, aber eben jeder einzelnen Einheit genügend Entscheidungsfreiräume und Intelligenzen lässt, um die Anforderungen, die aus dem Gesamtbereich entstehen, auch zu bewerkstelligen.
Sie haben also zuerst genau die Bedarfe analysiert?
Marco Krasser: Genau, wir haben 2001 begonnen, einen sogenannten Energie- Entwicklungsplan aufzustellen, der auch geographisch vernetzt wurde. Also welche Potenziale haben wir? Zum einen also die Potenziale zu erschließen, aber zum anderen natürlich auch die Bedarfe. Wir dürfen natürlich nicht nicht vergessen, dass sich die Bedarfe ständig und kontinuierlich verändern. Andere Heizsysteme, Mobilität, all die Themen sind Sektor-übergreifend zu beleuchten und dabei auch die Infrastruktur nicht zu überfordern. Also wir haben eben Stromnetze, die sind, wie sie sind. Die Investitionen müssen klug entschieden werden und das war unser Ansinnen. Und ja, aufgrund dieser Potenzialanalyse haben wir versucht, die Potenziale sukzessive zu erschließen, auch Über-Energie zu produzieren und dann eben die Speicher zu installieren. Und da ist der größte Hemmschuh. Solange die Politik aus meiner Wahrnehmung heraus die Integralrechnung nicht versteht beziehungsweise sie mir nicht erklären kann, und dass eben Leistung und Arbeit über die Zeit verknüpft sind, wird schwierig werden, wenn wir ein “energy only” Markt-System betreiben, das auf der Kupferplatte passiert, die es nicht gibt. Und das war die Herausforderung, eben das in dem Netz-System, das wir zur Verfügung und zu verantworten haben, so zu installieren, dass sich Erzeugung und Verbrauch möglichst lange deckt, dabei aber auch betriebswirtschaftlich sinnvolle business cases zu entwickeln, die unter Umständen weit weg sind von den Anforderungen einer künftigen Energiewirtschaft.
Herr Zösch, wie behandeln Sie die Speicherproblematik in Ihren Stadtwerken Haßfurt?
Norbert Zösch: Wir sind ein Stadtwerk, wo wir auch schon seit längerer Zeit erneuerbare Energien massiv ausgebaut haben. Wir haben so 30 MW Windkraft im Netz bei uns auf der 20 kV-Ebene, 20 MW Photovoltaik-Leistung, eine Biogasanlage, wo wir auch mit dran beteiligt sind und eben die Power-to-Gas-Anlage und mittlerweile auch größere Batteriespeicher. Also ich würde ungern immer von der Energieampel sprechen, weil da ist ja auch mal rot dabei, dann muss man stehen. Ich würde eher von einem Energie-Kreisverkehr sprechen. Immer derjenige, der liefern kann, speist ein, und derjenige, der zu viel hat, nimmt auf. Dass man diese verschiedenen Systeme miteinander koppelt, was eine sehr große Herausforderung ist. Wir haben hier bei uns schon über 200 Prozent erneuerbare Energie. Also wir bewegen uns in einem Zeitraum, was Deutschland so 2040, 45, 50 vor hat. Und was uns am meisten hemmt, ist, dass wir natürlich diese ganzen Systeme miteinander verknüpfen müssen. Kaum einer am Markt ist fähig, uns da so massiv zu unterstützen und wenn dann nur mit hohen Kosten. Also natürlich alles, was neu entwickelt wird, ist erst immer teurer, und da würden wir gerne Unterstützung erfahren, indem wir eben diese ganze Regelung, diese ganzen Energieflüsse, Zum Beispiel gestern am Pfingstmontag: sehr viel Photovoltaik-Leistung, geringe Abnahme im Netz, also auch da muss Energie zurück geregelt werden und da ist natürlich ideale Laufzeit wieder von Power-to-Gas. Jetzt ist es natürlich so, dass man den Wasserstoff für Wärme oder für Mobilität natürlich nutzen kann. Jetzt im Sommer, in der Wärme, ist das überschaubar, was man da noch an Wasserstoff-Nutzen hat. Also, Langzeitspeicherung ist halt mit dem Wasserstoff möglich und die Kurzzeit-Speicherung mit den Batterien. Nur die Batterien – und das erleben wir, obwohl wir über 13 MB Speicherkapazität haben mittlerweile in unserem Netz, also eigene Speicherkapazität – ist halt doch relativ überschaubar. Bei so einem Tag wie gestern ist um zwölf Uhr, ein Uhr spätestens der Speicher voll, da braucht man dann deutlich mehr. Aber alles zu investieren, das ist natürlich auch als kleineres Unternehmen schwierig. Wir haben viele Freifeld-Anlagen jetzt auch selbst mittlerweile gebaut und natürlich einen hohen Invest dafür gebraucht. Wir brauchen die kommunalen Banken, die auch natürlich an ihre Grenzen kommen, wenn irgendwelche Kreditlinien überschritten werden oder in die Nähe kommen. Weil halt doch durch den Hintergrund, dass man natürlich Energie, die man selber erzeugt, nicht woanders einkaufen muss. Allerdings halt mit dem Nachteil, dass die dann entsteht, wenn Sonne da ist, wenn Wind da ist. Und wenn keine Sonne und kein Wind da ist, brauchen wir natürlich auch eine stabile Versorgung und da haben wir auch ein Wasserstoff-BHKW, das mit 100 Prozent Wasserstoff wieder Wärme und Strom liefern kann. Also die Systeme sind alle da, die aber so miteinander zu verknüpfen, dass wir eben einen reibungslosen Kreisverkehr betreiben können, das ist die große Herausforderung.
Wie funktioniert eine gute Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Stadtwerken?
Andreas Müller: Von unserer Seite: wir stoßen uns halt momentan bei allgemeiner Energieversorgung an dem Thema Netz auf. Jetzt wird sehr, sehr engagiert im Ausbau von PV, Strom und Wind vorgegangen. Da sind letztendlich Wirtschaftsunternehmen, aber auch Investoren, die schon Projekte angehen, aber das Thema Netz ist halt für uns momentan das große Nadelöhr. Wo bringen wir den Strom rein und ich denke, da braucht man gute Abstimmung, also Netzentwicklung. Es wird ja sehr viel elektrisch an der Stelle auch sein. Netzentwicklung, Gesamtkonzept in den Kommunen. Ja, das ist das, was uns momentan auch fehlt. Es gibt ja sehr viele unterschiedliche Energieversorger, weil wir Stadtwerke haben, die decken alle Energiethemen ab. Wir haben zum einen natürlich klassische Stadtwerke, die machen nur Wasser und Gas und dann haben wir übergeordnete Energieversorger und wir haben Kommunen, die wissen nicht so richtig, wer eigentlich für die übergeordnete Energie-Leitplanung verantwortlich ist.
Im Rahmen von den BEW-Programmen sind da jetzt ganz gute Ansätze da, übergeordnete Planungen für Gebiete zu machen. Das ist das, was wir brauchen. Gute Abstimmung zwischen Industrie, Wirtschaft und Stadtwerken. Wir müssen von dem wegkommen, dass wir hier jetzt immer 1000 Leute mit einbeziehen müssen, sondern wir brauchen wirtschaftsorientierte Projekte, wo Entscheider in der Stadtwerken mit Wirtschaftsunternehmen gemeinsam agieren und dort habe ich große Bedenken in unsere gesellschaftliche Entwicklung. Wir wollen es immer allen recht machen. Wir wollen alle fragen, wir wollen alle mit einbeziehen und das ist das, was uns momentan eigentlich so ein bisschen blockiert in dem ganzen Tempo. Ich denke, dass wir schon ganz gut wissen, wie die Energiezukunft – ja, ich finde den Ausdruck auch besser als -Wende – wie die Energiezukunft ausschaut. Aber weg von großen Bürgerbeteiligungen, weg von groß Mitreden von Leuten, stattdessen ein klarer Plan, wirtschaftsorientiertes Umsetzen und nicht nur Phantasiepapiere und keiner weiß, wer das zahlt und wer es macht. Das ist das, was mir momentan etwas aufstoßt.
Her Krasser, brauchen Sie Daten, die in den digitalen Zwilling mit reinkommen, damit Sie die Auslastung Ihrer Netze steuern können?
Marco Krasser: Ja, die Lastverläufe und auch die Möglichkeiten, zu reagieren. Wie Herr Müller, wenn er das eben machen kann, also seine Last-intensiven Bereiche in die Sonnenstunden lenken kann. Da kann man natürlich das Ganze über die Windkraft machen. Bisher war es so, dass sämtliche Firmen natürlich ungern ihre Betriebsabläufe nach dem Stromaufkommen gerichtet haben, sondern eher rund um die Uhr. Wenn einer Drei- Schichtbetrieb hat, dann will er rund um die Uhr die Energie abnehmen können, die er braucht. Und wie gesagt, das abzustimmen, Energie-intensive Dinge dann zu machen, wenn eben auch viel erneuerbare Energie zur Verfügung steht. Jetzt in den ersten Monaten war sehr viel Windenergie da. Das kann man natürlich auch nie garantieren, wann die zur Verfügung steht. Aber genau dieser Abgleich ist denke ich die große Herausforderung und dann eben Speicher. Und Wasserstoff ist halt mal ein Speicher, der eben auch langzeitmäßig in den Kavernen gespeichert werden könnte. Aber also, wir haben 2016 die installiert, und waren lange Zeit die einzigen, die so eine Power-to-Gas-Anlage hatten, bis auf einmal jetzt sämtliche Politiker nur noch über Wasserstoff reden, aber die reden nur drüber und machen keine praktischen Anwendungen.
Wenn ich mich mit Ihnen als Stadtwerk zusammen schalte und sage, ich nehme den Strom dann ab, wenn er zur Verfügung steht. Dann krieg ich aber vielleicht auch einen besseren Preis, dann ist es ja durchaus wieder attraktiv für die Unternehmen.
Marco Krasser: Wenn Sie das eben so in ihren Abläufen integrieren können.
Herr Krasser, wie machen Sie das in Wunsiedel? Wie funktioniert da die Zusammenarbeit mit Unternehmen?
Marco Krasser: Ich will vielleicht zunächst mal noch auf die Frage eingehen, was genau braucht man? Ich bin da sehr bei Herrn Müller. Zunächst mal braucht man einen nicht unerheblichen Abbau der bürokratischen Hemmnisse, die zum einen datenschutzmäßig aufgebaut werden, um Systeme zu etablieren. Man braucht deutlich mehr Ehrlichkeit von Preisen, denn Speicher kosten halt auch Geld. Das heißt, wir brauchen eine massive Veränderung in der Anreizregulierung, um auch die Investitionen in die Netze zu haben, die Investitionen in andere Netzkomponenten - also eine Elektrolyse zählt ja nicht als Netzkomponente. Wir haben das bitterlich erfahren. Wir haben Elektrolyse installiert, die durchaus eine der größten ist in Deutschland mit 8,75 Megawatt elektrisch installierter Leistung. Die sollte ausgebaut werden auf das doppelte. Momentan steht sie dank Strompreisbremse-Gesetz. Diese Ehrlichkeit, mit Preisen, mit Bürokratie umzugehen, damit auch die Akzeptanz herbeizuführen, die notwendig ist, damit ein Netzausbau auf der Verteilnetzebene funktionieren kann. Wir planen ja zehn Jahre lang Netze, zumindest auf der großen Übertragungsnetze-Ebene. Wenn die Planung abgeschlossen ist, habe ich, wenn die Genehmigung abgeschlossen ist, eine Planung, die zehn oder 15 Jahre alt ist, die nicht mehr in die Landschaft passt und wir bauen dieses Thema aber trotzdem auf, wissend, dass wir eigentlich was völlig anderes bräuchten. Das ist wie wenn ich eine Ortsumgehungs-Straße über 20 Jahre plane und in den 20 Jahren ist die Ortsumgehungs-Straße mitten in der Stadt.
Da ändern sich die Ströme, richtig?
Marco Krasser: Genau, und das ist der Punkt und und nicht jedes Unternehmen hat die Möglichkeit, Lastgänge zu optimieren. Aber jedes Unternehmen hätte die Möglichkeit, Speicher zu installieren, wenn sie denn Teil des Netzes werden würden. Ich vergleich es mal mit einer Wasserleitung. Wir bauen eine überdimensionierte Wasserleitung, die wir genau eine Viertelstunde im Jahr benutzen. Das mag bei der Wasserleitung notwendig sein, weil es nichts anderes gibt. Aber im Stromnetz gibt's eben Elektrolysen, die nicht nur Wasserstoff erzeugen, sondern eben “demand side” sind. Auch da müssen wir weg von 8760 Vollbenutzungsstunden, um Wasserstoff zu produzieren, sondern wir müssen der Flexibilität einen Preis geben und das bildet unser momentanes Energiesystem nicht ab. Wir haben Energy Market ohne Verknüpfung mit der Leistung, wir haben ein paar Steigbügelhalter wie Primär-Regelenergie und Sekundär-Regelenergie-Märkte. Wir haben aber keine Kapazitätsmärkte und wir sehen - ich schau gerade online auf unseren Speicher - der macht eigentlich genau das, was er im Moment nicht machen soll, der Speist aus, obwohl ich massiv Wind und massiv Sonne habe. Weil er eben nicht das Verteilnetz stützt, sondern weil der Business case auf die nächste Netzebene geht. Und wir müssen einfach lernen, dass Systeme Bottom-Up organisiert oder geplant deutlich effizienter laufen, die dann zwar vernetzt sein müssen. Keiner will autark werden. Aber die Organisationsform hat uns ja gezeigt, dass ein föderales System, das eben sehr viele Entscheidungen auch auf die kleineren Ebenen verteilt und das ist das, was der Herr Müller ja gesagt hat: Wir brauchen wieder Entscheidungsfähigkeit und die haben wir nicht, wenn wir von ganz oben alles bis ins kleinste Detail regeln wollen. Da erwarte ich mir Rahmen, Technologie-offene Rahmen, die dann vor Ort umzusetzen sind, und wie wir die umsetzen in den Rahmenbedingungen, das muss unser Job sein.
Hören Sie sich das vollständige Interview als Podcast an:
Klimaneutralität in Kommunen und Unternehmen
„Spätestens bis zum Jahr 2040 soll Bayern klimaneutral sein.“ – so schreibt es das Bayerische Klimaschutzgesetz. Wichtige Partner im gemeinsamen Engagement für einen klimaneutralen Freistaat sind auch die mehr als 2.000 Landkreise, Städte und Gemeinden. Nicht nur Kommunen, sondern auch Unternehmen nehmen mittlerweile ihre Energieerzeugung und ihre Energieversorgung mehr und mehr selbst in die Hand. Welche Herausforderungen es dabei gibt, erfahren Sie im Podcast mit Norbert Zösch, Marco Krasser und Andreas Müller.
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