Stromerzeugung auf dem Wasser

05.02.2024

Auf dem Baggersee im unterfränkischen Dettelbach glitzert und funkelt es in der Mittagssonne. Die Ursache ist aber nicht etwa besonders klares Wasser, sondern eine Photovoltaik-Anlage: Auf dem See des Kieswerks der Firma Heidelberg Materials Mineralik tummeln sich mehrere tausend miteinander verschraubte Schwimmkörper, auf denen Solarmodule installiert sind.

Floating PV
Die Solarmodule der Floating PV-Anlage in Sengenthal erzeugen 700.000 kWh Strom im Jahr und sparen somit 280 Tonnen CO2 ein.

Die sogenannte Floating PV erzeugt Strom für das Kieswerk. „Pro Jahr erzeugt die Anlage rund 700.000 kWh Strom, den wir direkt zur nachhaltigen und klimaneutralen Versorgung des Dettelbacher Kieswerks nutzen können. Das spart jährlich rund 280 Tonnen CO2 ein“, so Thomas Wittmann, Geschäftsführer Heidelberg Materials Mineralik.

Rund 150 Kilometer weiter östlich in Sengenthal bei Neumarkt setzt die Firmengruppe Max Bögl auf ihrem Baggersee ebenfalls auf Floating PV. Die Anlage produziert über 1,5 Millionen kWh und greift größtenteils auf die am See vorhandene Infrastruktur zurück, ohne dass zusätzliche Flächen im Gemeindegebiet in Anspruch genommen oder Eingriffe in die bestehende Gewässerökologie vorgenommen wurden.

Mehrflächennutzung und technischer Aufbau schwimmender Solaranlagen

Mit Anstieg des Bevölkerungswachstums geht ein erhöhter Bedarf an Ressourcen einher, der zu zunehmender Flächenkonkurrenz führt. Eine Strategie, um diesem Effekt entgegenzuwirken, ist das Prinzip der Mehrflächennutzung. Dabei werden bereits genutzte Flächen mit zusätzlichen technischen Anlagen bestückt, die sich in ihrer jeweiligen Funktion nicht hindern, sondern ergänzen. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz von Floating PV-Anlagen, die mit einer Unterkonstruktion auf Wasserflächen platziert werden können und dadurch keine landwirtschaftlichen Flächen beanspruchen. Bis vor wenigen Jahren wurde die Technik nur im asiatischen Raum eingesetzt. Zunehmend werden nun auch in Europa Baggerseen stillgelegter Kieswerke genutzt. Auch der Kohleausstieg mit ungenutzten Tagebauflächen bietet ein großes Flächenpotenzial.

Die Identifikation geeigneter Flächen ist dabei von verschiedenen Faktoren abhängig: das Gewässer muss unverschattet und möglichst ruhig sein mit leichtem Zugang zum Wasser. Zudem sollte das Gewässer über eine geringe Tiefe und einen harten Boden für eine vereinfachte Verankerung verfügen. Idealerweise liegt bereits eine elektrische Infrastruktur und ausreichend Fläche für Einsatz und Platzierung dieser Infrastruktur vor.

Die PV-Module einer Floating PV-Anlage sind auf Schwimmkörpern installiert. Die einzelnen Modulteile sind über bewegbare Verbindungsstücke miteinander verknüpft, was für eine flexible Anpassung an die Wasseroberfläche sorgt. Gesichert wird das Schwimmsystem über ein Verankerungssystem, dessen Robustheit entscheidend ist, um der Witterung standzuhalten. Zur Einspeisung wird die PV-Anlage über Unterwasserkabel (Wasserkabel gibt es nicht) mit dem Stromnetz und dem jeweiligen Verbraucher verbunden.

Floating PV-Anlagen: Vorbild Niederlande und Großprojekte in Deutschland

Die größten Anlagen außerhalb Asiens befinden sich derzeit in den Niederlanden – das Unternehmen BayWa r.e. hält mit der Solaranlage Uivermeertjes (Leistung von 29,8 MWp) sowie dem 41,4 MWp-Projekt Sellingen den Rekord der größten schwimmenden PV-Projekte außerhalb Asiens. Die größte schwimmende Photovoltaik-Anlage Deutschlands soll nun in der Lausitz entstehen. Sie hat eine Leistung von fast 30 MW und ist Teil des Megaprojekts „Cottbuser Ostsee“. Der Netzanschluss soll Ende 2024 erfolgen. Die Umwandlung des ehemaligen Tagebaus Cottbus-Nord in einen 1.900 Hektar großen künstlichen See folgt der im Tagebau betriebenen Kohleförderung, die 2015 endete. Seit 2019 wird der ehemalige Tagebau mit Spreewasser geflutet.

Laut Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE bergen geeignete Flächen auf künstlichen Seen in Deutschland ein technisches Potenzial von 44 GWp. Auch in maritimer Umgebung, z. B. in Brackwasserflächen in Flussmündungen könnten Floating PV-Anlagen installiert werden.

Schwimmende PV-Anlagen: Herausforderungen und Vorteile

Aus ökologischer Sicht bestehen derzeit noch einige Herausforderungen beim Einsatz von Floating PV, wie Dr. Andreas von Lindeiner, Landesfachbeauftragter Naturschutz, Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern e.V. (LBV) in Hilpoltstein erklärt: „Da es noch wenig fundierte Erkenntnisse zu den langfristigen Auswirkungen auf die Natur gibt, ist es wichtig, ein paar Leitplanken zu setzen: So darf es nicht zu einem Verlust an Rast- und Nahrungsflächen für Wasservögel kommen und deshalb sollen auch keine Anlagen auf Wasservogelreichen Gewässern installiert werden. Weiterhin sind Maßnahmen zum Erhalt ‚gesunder‘ physikalisch-chemischer Eigenschaften des Gewässers, z. B. Durchmischung und Sauerstoffgehalt unter den Modulen erforderlich. Durch ein qualifiziertes und verpflichtendes Monitoring hydrologischer und biologischer Parameter müssen Erfahrungen beim Betrieb solcher Anlagen gewonnen werden.“

Neben den ungeklärten Aspekten für die Umwelt sind die größten Herausforderungen in Deutschland für den Ausbau von schwimmender Photovoltaik die derzeit geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen: „Floating PV-Anlagen können ein wertvoller Baustein auf dem Weg zur Energiewende sein. Sie sind eine sehr klimafreundliche und nachhaltige Methode, um mit Sonnenenergie Strom zu erzeugen. Der Gesetzgeber begrenzt allerdings schwimmende PV-Anlagen auf 15 Prozent der Seefläche bei einem Uferabstand von 40 Metern. Dies führt dazu, dass nur rund ein Zehntel der Baggerseen, die durch Rohstoffgewinnung entstanden sind bzw. entstehen, genutzt werden können“, so Dr. Stephanie Gillhuber, Leitung Rohstoffsicherung beim Bayerischen Industrieverband Baustoffe, Steine und Erden e. V. in München. Vorerst sind allerdings keine Änderungen zu den erst im Januar 2023 in Kraft getretenen Neuregelungen zu erwarten.

Schwimmende PV hat aber auch verschiedene positive Auswirkungen auf Umwelt und Tierwelt. Durch die Beschattung wird das Algenwachstum im Wasser bei starker Sonneneinstrahlung reduziert. Die Verschattung durch die schwimmenden Anlagen trägt dazu bei, die Wassertemperatur nicht ansteigen zu lassen und verringert darüber hinaus die Verdunstung von Wasser. Ein weiterer Vorteil ist der Kühlungseffekt. Der Kontakt mit dem Wasser führt zu einer besseren Kühlung der Solarmodule und damit zu einer Effizienzsteigerung. Die Stromproduktion erhöht sich um drei bis fünf Prozent.

Die Floating PV-Anlage auf dem Baggersee in Sengenthal war im Frühsommer 2023 bereits Ziel des Cluster-Treffs „Schwimmende Photovoltaik – Potenziale, Herausforderungen und Rahmenbedingungen“ des Clusters Energietechnik.

>> Weitere Informationen

Floating-PV: 2 Perspektiven auf schwimmende Solaranlagen

Wie können Floating-PV-Anlagen auf Gewässern für nachhaltige Energiegewinnung sorgen und welche Rolle spielen sie in der Energiewende? Die Antwort erfahren Sie von dem Experten Günther Obermaier (BAYWA R.E. SOLAR PROJECTS GMBH) und der Expertin Ina Schabesberger vom Cluster Energietechnik .

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