Mit KI-Werkzeugen zu einem effizienten und nachhaltigen Engineering
Ob ChatGPT von OpenAI, der Text-zu-Bildgenerator DALL-E oder der KI-Assistent Bard von Google – Werkzeuge der Künstlichen Intelligenz (KI), die auf Basis kurzer Anweisungen, sogenannter „Prompts“, Bilder und Texte generieren, erhalten aktuell breite Aufmerksamkeit.
Aus Unternehmenssicht stellt sich die Frage, wie KI zukünftig bestmöglich eingesetzt werden kann. Dabei bestehen große Erwartungen in den Einsatz von KI-Werkzeugen in der Produktentwicklung und im Engineering, um diese Unternehmensbereiche effizienter, aber auch ökologisch nachhaltiger zu gestalten. Doch wo liegen die größten Potenziale von KI im Engineering und was ist heute bereits möglich?
Einen Einblick in aktuelle Forschungsaktivitäten und -ergebnisse zu KI-Werkzeugen für einen Einsatz im Engineering gab es im Juli 2023 in der Webinarreihe „Aus der Forschung in die Praxis“ der Themenplattform Digital Production & Engineering von Bayern Innovativ, welches diesmal in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen KI-Netzwerk baiosphere durchführt wurde.
baiosphere – das Bayerische KI-Netzwerk
Eingangs des Webinars stellt Andreas Preißer das bayerische KI-Netzwerk baiosphere vor. Mit baiosphere wird eine Übersicht über die schnell wachsende KI-Landschaft in Bayern erzeugt. Sie stellt eine Art „Gelbe Seiten“ der KI in Bayern dar. Die Bayerische KI-Agentur und der KI-Rat fördern Forschung, Entwicklung und Anwendung von KI. Das Hauptziel ist eine verantwortungsbewusste Nutzung von KI zum Wohl der Menschheit. Zudem werden Use Cases präsentiert und es werden Akteure mittels Matchmaking, Signature Events in der KI-Community vernetzt. Dazu steht ein 13-köpfiges Team bereit. Interessierte haben die Möglichkeit, sich unter https://baiosphere.org näher zu informieren – und dürfen sich auf einen Relaunch der Webseite im Herbst mit weiteren Funktionalitäten freuen.
Programmieren mit ChatGPT: Wie verändert generative KI die Aufgaben in der Softwareentwicklung?
Vom E-Auto, das ohne funktionierende Software nicht geladen werden kann, bis hin zum Online-Shopping, das ohne funktionierende Zahlungs- und Suchfunktionen nicht möglich wäre – Software ist unverzichtbar und allgegenwärtig. Sie beeinflusst das tägliche Leben der Menschen und ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor für Unternehmen. In seinem Vortrag wirft Prof. Dr. Albrecht Schmidt, Professor für Informatik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, einen Blick auf die Bedeutung von Softwareentwicklung und wie sich diese mit der Einführung von KI-Werkzeugen wie ChatGPT verändert hat. Zudem beleuchtet er die Herausforderungen und Chancen, die sich daraus für Unternehmen und Entwickler ergeben. Früher wurde Softwareentwicklung oft mit einem hohen Personalaufwand und zeitaufwendigen Prozessen verbunden. Heute können solche Technologien die Produktivität der Entwickler erheblich steigern und die Zeit, die für die Entwicklung benötigt wird, drastisch reduzieren.
Die Revolution der Softwareentwicklung: GPT-3 und die Zukunft des Codens
Ein Beispiel ist GPT-3, dass eine Revolution in der Softwareentwicklung darstellt. GPT-3 ist ein leistungsstarkes Sprachmodell von OpenAI, das Texte auf kreative und präzise Weise generieren kann. Es ermöglicht Entwicklern, komplexe Codes und Lösungen in kürzester Zeit zu generieren. Von der Analyse von Stakeholdern und Personas bis hin zum Entwurf von Systemarchitekturen und der Implementierung von Codes kann GPT-3 als interaktive Unterstützung dienen. Unternehmen, wie Google oder Microsoft, nutzen selbst erstellte Softwarecodes, um ihre KI-Modelle zu trainieren. Damit steigern sie ihre Produktivität bei der Softwareentwicklung um das Fünffache. Prof. Schmidt weist darauf hin, dass hier viele Länder und insbesondere Deutschland rasch reagieren müssen, um nicht den Anschluss an den Markt zu verlieren.
Prof. Schmidt stellt aber auch klar, dass sich mit der zunehmenden Nutzung von GPT-3 und ähnlichen Technologien auch ethische Fragen ergeben. Wie können wir sicherstellen, dass diese Technologien verantwortungsbewusst eingesetzt werden? Es ist wichtig, klare Richtlinien und Regeln zu etablieren, um Missbrauch zu verhindern und die Privatsphäre der Nutzer zu schützen.
Chancen der KI jetzt nutzen
Als Fazit hält er fest: Das Potenzial von großen Sprachmodellen wie beispielweise GPT-3 für die Softwareentwicklung ist enorm. Es ermöglicht Unternehmen, schneller und effizienter Softwarelösungen zu entwickeln und wettbewerbsfähig zu bleiben. Dennoch gibt es auch Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf Sicherheit und Datenschutz. Die Zukunft der Softwareentwicklung wird zweifellos von solchen Innovationen geprägt sein, und es liegt an uns, diese Chancen zu nutzen und gleichzeitig die Herausforderungen zu bewältigen.
Sinnvoller Einsatz von KI-Tools im Engineering – aber wo und wie?
Der anschließende Vortrag von Frau Tihlarik, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Soziologie mit dem Schwerpunkt Technik - Arbeit – Gesellschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, betrachtet den Einsatz von KI aus arbeitssoziologischer Perspektive. Sie zeigt anhand von Beispielen aus dem BMBF - Forschungsprojekt „MoSyS“ (Menschorientierte Gestaltung komplexer System of Systems, Förderkennzeichen 02J19B103) erste konkrete Anknüpfungspunkte für die Implementation von KI im Engineering sowie für das weitere Vorgehen auf. Das Projekt befasst sich unter anderem mit der Integration von KI-Tools im Engineering, um den wachsenden Anforderungen an die Produktentwicklung gerecht zu werden. Ziel ist es, komplexe Systeme effizient zu gestalten und dabei die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.
Potenziale und Herausforderungen des KI-Einsatzes im Engineering
Im Rahmen von qualitativen Interviews mit Beschäftigten aus dem Engineering-Bereich wurden zunächst deren Einstellung und Verständnis von KI erfasst. Dabei wurden potenzielle Einsatzgebiete für KI-Unterstützung im Engineering identifiziert. Diese Erkenntnisse legten den Grundstein für die weitere Entwicklung von Anwendungsfällen, um die KI-Tools optimal an die Bedürfnisse der Beschäftigten anzupassen. Die Implementierung von KI-Tools im Engineering stellte jedoch auch Herausforderungen dar. Die Kosten-Nutzen-Abwägungen waren komplex, da nicht alle Prozesse von KI profitierten und die Ressourcen für Schulungen und Anpassungen bereitgestellt werden mussten. Zudem standen ethische und datenschutzrechtliche Fragestellungen im Fokus, besonders im Umgang mit großen Datensätzen und Entscheidungen von KI-Algorithmen.
Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI im Engineering
Die Ergebnisse aus dem "MoSyS"-Projekt zeigen, so Frau Tihlarik, dass standardisierte und digitale Routinetätigkeiten im Engineering ideale Anwendungsbereiche für KI-Tools darstellen. Hier können KI-Systeme die Effizienz steigern und repetitive Aufgaben übernehmen, während sich die Beschäftigten auf komplexe und andere, z.B. kreative Herausforderungen konzentrieren können. Bei der Implementierung ist es jedoch unerlässlich, die Expertise der Beschäftigten zu nutzen und deren Bedürfnisse abhängig vom jeweiligen Arbeitsprozess in den Gestaltungsprozess einzubeziehen.
Nur so kann erfolgreich auf die wachsende Komplexität in der Produktentwicklung reagiert werden.
Ressourceneffizienz in Entwicklung und Produktion mit Methode und Engineering-KI
Im dritten Vortrag gibt Peter Stirnweiß, Lead Engineer und Six Sigma Black Belt bei der mts Consulting & Engineering GmbH, einen Einblick, wie mithilfe eines KI-Systems Ressourceneffizienz in Entwicklung und Produktion erzielt werden kann. Dazu wird von der Firma das eigens entwickeltes Tool Analyser® genutzt. Dieses wurde 2021 mit dem bayerischen Ressourceneffizienz-Preis ausgezeichnet.
Zu Beginn eines Projekts besteht der erste Schritt darin, Daten zu sammeln und die Prozesse zu analysieren, um die wichtigen Qualitätsmerkmale zu definieren. Dazu werden messbare Einflussfaktoren ermittelt und die Prozesse digitalisiert, um die Daten in einer Datenbank zu sammeln und auszuwerten. Labeling hilft dabei, die Prozessschritte und Teile eindeutig zuzuordnen. Dann wird KI genutzt, um die Daten zu analysieren und Vorhersagemodelle zu erstellen. Dies ermöglicht es, die Zusammenhänge zwischen den Einflussfaktoren und den Qualitätszielen zu verstehen und Qualität vorherzusagen. Die optimalen Prozessparameter werden als sogenanntes "Best Setting" abgeleitet, um eine hohe Qualität und Ressourceneffizienz zu gewährleisten.
Der praktische Nutzen von KI
Herr Stirnweiß zeigt nun einige Praxisbeispiele, wie die eingesetzten KI-Systeme Ressourceneffizienz erreichen. Ein Kunde aus dem Automobilbau wollte das Trägermaterial für Armaturenbretter und Zierteile auf einen umweltfreundlichen und günstigeren Kunststoff umstellen. Durch Vorhersagemodelle und Optimierungen konnte eine Ressourceneinsparung von etwa 60% erzielt werden, indem es weniger Ausschuss und Nacharbeit bei gleichbleibender Qualitätsanmutung gab. In einem weiteren Beispiel aus der Mechanik ging es darum, den Antriebsstrang und das Getriebe in Elektrofahrzeugen leiser zu machen. Mit 3200 Einflussgrößen und nur 10 verfügbaren Teilen gelang es, eine konstant niedrige Lautstärke über alle Drehzahlbereiche hinweg zu erreichen. Dies führte zu einer Ressourceneinsparung von bis zu 30% durch reduzierten Ausschuss und Nacharbeit. Das dritte Beispiel kommt aus der Luft- und Raumfahrt: Für ein teures Bauteil mit 830 Prozessparametern sollte frühzeitig eine Qualitätsvorhersage ermöglicht werden. Durch transparente Wirkzusammenhänge und die Möglichkeit, den Prozess zu regeln, konnte auch hier eine erhebliche Ressourceneffizienzsteigerung erzielt werden.
Insgesamt zeigen diese Beispiele, wie der gezielte Einsatz von KI in der Entwicklung und Produktion zu einer deutlichen Steigerung der Ressourceneffizienz führen kann. Die datengetriebenen Ansätze ermöglichen eine nachhaltige Optimierung von Prozessen und Produkten, was nicht nur wirtschaftlich vorteilhaft ist, sondern auch einen positiven Beitrag zum Umweltschutz leistet.
Abschließende Diskussionsrunde
Wie intensiv sich die Teilnehmenden mit dem Thema KI auseinandersetzen, zeigte sich auch in der abschließenden Diskussionsrunde. Hier ging es vor allem um die Frage des geistigen Eigentums von Inhalten, die von einem KI-Tool generiert wurden. Und wie sich Unternehmen auch angesichts einer weitgehend unklaren rechtlichen Lage heute verhalten sollen.
Prof. Schmidt weist unter anderem darauf hin, dass es beim Generieren von Codes wichtig ist, klassische Suchmaschinen zu verwenden, um zu überprüfen, ob ein Code bereits existiert oder ob möglicherweise unbeabsichtigt etwas kopiert wurde, ähnlich wie beim Generieren von Texten. Es muss sichergestellt werden, dass kein geistiges Eigentum verletzt wird.
Seine grundsätzliche Empfehlung und die der anderen Vortragenden: Die Kreativen der Zukunft sind diejenigen, die KI-Modelle erstellen, und es besteht ein gewisses Risiko, wenn man auf Rechtssicherheit wartet. Wer über die notwenigen Ressourcen verfügt, sollte in Betracht ziehen, eigene Modelle zu trainieren. Ansonsten gibt es die Möglichkeit, kostenlose Open-Source-Modelle oder auch kommerzielle Modelle zu nutzen. Wichtig sei es, einen ersten Schritt zu tun und KI-Modelle zu nutzen, die für effizientere Abläufe sorgen – ein wichtiger Punkt für die Wettbewerbsfähigkeit.
Die Webinarreihe „Aus der Forschung in die Praxis“
In dem Veranstaltungsformat der Themenplattform Digital Production & Engineering von Bayern Innovativ geben Forschungseinrichtungen und Unternehmen Einblicke in aktuelle Forschungsaktivitäten und diskutieren diese mit den Teilnehmenden. Ziel ist es, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen dabei zu unterstützen, digitale Technologien in ihren Produktionsprozessen und in ihrem Engineering sinnvoll zu nutzen.
Kontaktdaten der Referierenden
Andreas Preißer, Head of Business Relations Bayerische KI-Agentur
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Prof. Dr. Albrecht Schmidt, Professor für Informatik, Ludwig-Maximilians-Universität München
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Amelie Tihlarik, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Lehrstuhl für Soziologie mit dem Schwerpunkt Technik – Arbeit – Gesellschaft, Nuremberg Campus of Technology, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
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Peter Stirnweiß, Lead Engineer und Six Sigma Black Belt, mts Consulting & Engineering GmbH
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