Digitalisierung in Kommunen gestalten

Gerade im ländlichen Raum spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle. Im Vergleich zu den urbanen Ballungszentren ergeben sich jedoch viele Unterschiede und Herausforderungen bei der Planung und Umsetzung. In etwas abgelegenen Regionen haben die Bewohner oft mit einer eingeschränkten Infrastruktur zu kämpfen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Nahversorgung ist manchmal ganz schön weit weg. Hier setzt die Digitalisierung an, um Potenziale zu entfalten und einen positiven Wandel herbeizuführen. Das Lernen von Best Practices anderer Kommunen ist hier von entscheidender Bedeutung und vermeidet Insellösungen. Welche Best Practice Beispiele es schon gibt und wie ein Wissensaustausch und eine Vernetzung zwischen Kommunen erfolgen kann, darüber spricht Willi Steincke, Leiter der Themenplattform Smart Cities and Regions bei Bayern Innovativ.

SDDI Modellregionen Bayern


Herr Steincke, was steckt hinter dem Begriff Smart Cities and Regions?

Willi Steincke: Das ist einfach erklärt. Wie kann ich meine Stadt, meine Kommune, meine Region zukunftssicher gestalten? Das heißt, dass überlegt werden muss, wie könnte das Leben und Wohnen hier in der Zukunft aussehen und ob und wie Digitalisierung dabei helfen kann.

Wie kann man der Herausforderung „fehlende Nahversorgung“ begegnen?

Willi Steincke: Im Augenblick gibt es hier zwei Richtungen. Die eine Richtung geht dahin eine Infrastruktur auszubauen. Das bedeutet z. B. das Stromnetz oder Wärmenetz durch Digitalisierung, sprich Einbau von Sensoren, aufzurüsten. Durch genaue Werte und einzelne Verbräuche kann alles effizienter gestaltet und Energie eingespart werden. Die zweite wichtige Richtung, die eingeschlagen werden muss, ist die Bürgerbeteiligung. Eine Kommune muss sich fragen, wo sie in den nächsten fünf bis zehn Jahren hinmöchte und wie hier zukunftssicher vorgegangen werden muss. Hier müssen die verschiedenen Interessensträger von den Bürgerinnen und Bürgern, von den Unternehmen, Einzelhändlern und so weiter mit einbezogen werden, um ein Konzept zu entwickeln, das dann systematisch umgesetzt wird.

Es geht also um Stadtentwicklung und Regionalentwicklung, die von der Digitalisierung unterstützt wird?

Willi Steincke: Genau, bei der Infrastruktur geht es darum, die Technik einzusetzen. Bei der Bürgerbeteiligung geht es eher darum, den Prozess zu moderieren. Durch Präsenzveranstaltungen und Online-Beteiligungen haben die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit ihre Meinung abzugeben. Gerade durch Online-Tools ist die Bevölkerung nicht mehr orts- und zeitgebunden ihren Beitrag dennoch zu leisten.

Wo liegen die meisten Stolpersteine bei der Umsetzung digitaler Projekte?

Willi Steincke: Viele Förderprojekte berücksichtigen nicht das anschließende Geschäftsmodell, also wie geht es weiter, wenn am Ende die Fördermittel wegfallen. In den letzten drei bis vier Jahren wurden in Bayern einige Modellprojekte aus unterschiedlichsten Bereichen, von der Gesundheit über Bau und bis hin zur Mobilität, gestartet. Diese Projekte wurden gefördert und sind gut durchgeführt worden. Der Knackpunkt liegt aber in der Anschlussfinanzierung. Eine Refinanzierung ist an dieser Stelle wichtig, damit diese Projekte auch im Alltag weitergeführt werden können. Es entstehen Kosten durch Hard- und Software, die weiterbezahlt werden müssen. Des Weiteren fehlt es an Transparenz. In Nordbayern werden tolle Projekte umgesetzt, die in Südbayern nicht bekannt sind. Also werden hier oft gleiche Projekte noch einmal umgesetzt. Es werden noch einmal die gleichen Lernerfahrungen gemacht, die man sich eigentlich hätte sparen können. Auf die Art und Weise werden für gleichen Sachen mehrfach Steuergelder ausgegeben.

Wie kann man von einem Best Practice partizipieren?

Willi Steincke: Ein wichtiger Punkt ist, dass die erzeugten Daten für Maschinen lesbar sind. Eine Word- oder Exceldatei, die für uns Menschen lesbar ist, reicht nicht aus. Maschinen müssen sich untereinander unterhalten können. So ist Automatisierung möglich. Für bestimmte Bereiche gibt es internationale Standards, wie im Geoinformationsbereich. Hier gibt es Standards, wie z. B. ein 3D-Bild von einer Straße oder einem Gebäude aufgezeichnet werden muss. Auf diese Weise kann viel Programmierungsaufwand eingespart werden. Wir sind gerade dabei, solche Standards transparent zu machen und zu schauen, wie kleinere Kommunen mit weniger Aufwand relativ schnell auch zu guten Ergebnissen kommen.

Auf der einen Seite wollen wir die erfolgreichen Lösungen transparent machen, aber auch den Transfer schaffen, dass so eine gute Lösung an geeigneter Stelle implementiert werden kann.

Willi Steincke Digitalisierung, Projektmanager, Bayern Innovativ GmbH


In welchen Kommunen funktionieren solche Projekte bereits?

Willi Steincke: Ich kann beispielsweise von einem Projekt in einer kleinen Kommune berichten. Früher gab es Anschlagtafeln in kleinen Dörfern, an der jeder Bürger etwas hinhängen konnte. In dieser kleinen Kommune im bayerischen Wald wurde nun ein Monitor aufgestellt, der elektronisch alle neuesten Informationen der Gemeinde angezeigt hat, wie Gottesdienste, Veranstaltungen, Einkaufsmöglichkeiten etc. Letztendlich eine einfache, aber digitale Kommunikation in der Gemeinde. Das Gerät ist von der Verwaltung und von Vereinen administrierbar. Natürlich gibt es das eins zu eins auch im Internet abgebildet. Aber dieser Monitor ist eine zusätzliche Informationsquelle, die alle Termine und News bündelt.

Ein weiteres erfolgreiches Beispiel aus dem ländlichen Raum war ein Computerkurs für Senioren, der zeigte, wie man mit dem Handy, Tablet oder PC arbeitet bzw. es am besten nutzt. Die Erfahrungen waren sehr positiv und Ängste vor der Technik wurden schnell überwunden. Aus dem eigentlichen Schulungskurs hat sich ein Stammtisch entwickelt, der seine Erfahrungen weitergibt. So wird neue Lebensqualität geschaffen, gerade wenn die Menschen nicht mehr so mobil sind. Oft werden auch neue Themen in den schon vorhandenen Volkshochschulen vermittelt.

Nochmal zurück zum Thema „Nahversorgung“. Gibt es dafür Best Practices?

Willi Steincke: Von den 2100 Kommunen in Bayern sind mittlerweile 500 ohne Nahversorgung. Jetzt gibt es ein Projekt von einem „mobilen Dorfladen“ im Gebiet der Steinwald-Allianz in Nordbayern. Das ist ein ausgebauter Bus, der mit einer festen Tourenplanung durch die Dörfer fährt. Die Lebensmittel sind auch online bestellbar und werden auf der nächsten Tour mitgebracht. Dieser Bus sammelt außerdem Erzeugnisse von regionalen Höfen ein und gewährleistet somit eine regionale Versorgung. Neuerdings wurde auch eine Lotto-Annahmestelle in den Bus integriert. Jetzt kann man neben dem Einkaufen auch Lotto spielen.

Da steckt allerdings viel Technik und Logistik dahinter: Tourenplanung, Einteilung Personal, Wareneinkauf, Abrechnung, Bestellwesen etc. Ich freue mich sehr, dass dieses Projekt nach einigen Testphasen in den Regelbetrieb übergehen konnte. Ein schönes Geschäftsmodell, das immer noch funktioniert und fährt. Solche Projekte werden jetzt einmalig als Modellprojekt aufgezogen und skalierbar macht. Das heißt, die Projekte werden für andere Dörfer und Kommunen übertragbar gemacht. Je mehr Kommunen sich an so ein System anschließen, desto mehr rentiert es sich auch. Die Auslastung der Verkaufsbusse ist gewährleistet und mit der Refinanzierung sieht es auch gleich anders aus.

Gehört es zu Ihrem Arbeitsgebiet bei der Themenplattform Smart Cities and Regions diese Vernetzung zwischen Kommunen herzustellen?

Willi Steincke: Das ist auf jeden Fall eines unserer Themen. Auf der einen Seite wollen wir die erfolgreichen Lösungen transparent machen, aber auch den Transfer schaffen, dass so eine gute Lösung an geeigneter Stelle implementiert werden kann. Es ist wichtig Informationen bereitzustellen und kurze Informationswege zu schaffen. Die Kommunen müssen Zugang zu solchen Best Practices bekommen. Bei vielen kleinen Kommunen scheitert es auch oft am Geld, aber wenn gleich 20 Kommunen ein System aufbauen, dann sieht die Kostenlage wieder ganz anders aus. Wenn sogar ein ganzer Landkreis dahintersteht, dann nimmt das Ganze gleich andere Dimensionen an.

Wir stehen für Fragen und Beratungen gerne zur Verfügung. Nebenbei haben wir vor drei Jahren begonnen einen Smart Cities and Regions Atlas aufzubauen, der in 16 verschiedene Handlungsfelder unterteilt ist, von Energie bis hin zur Mobilität und über die Landwirtschaft hinweg. Hier werden alle Projekte aus Bayern gesammelt, kurz vorgestellt und mit einem Link auf eine Projektseite oder mit einem Absprechpartner versehen. So kann man sich recht zügig mit dem richtigen Kontakt in Verbindung setzen. Der Atlas enthält mittlerweile über 200 Projekte. Wir werden den Atlas systematisch weiterführen und vermehrt Projekte aufzeigen, die langfristig funktionieren.

Sie bieten außerdem eine Online Matching Plattform an. An wen richtet sich diese Plattform?

Willi Steincke: Wir haben 2022 eine Art Matching Plattform namens „By2match Smart Regions“ entwickelt. Die kostenfreie Plattform richtet sich an Kommunen, Hochschulen und Unternehmen. Ziel dieser Matching Plattform war es, in diesem „Bermuda Dreieck“ ein Biete-Suche-System aufzubauen. Beispielsweise kann eine Kommune hier ihren Bedarf formulieren und ein Unternehmen oder eine Hochschule ein entsprechendes Angebot unterbreiten. Im ersten Schritt kann man so sehen, wo entsprechende Bedarfe sind. Im zweiten Schritt können wir die einzelnen Akteure miteinander vernetzen.


Das Interview führte Christoph Raithel, Teamleiter Event bei der Bayern Innovativ GmbH.

Hören Sie sich hier das vollständige Interview als Podcast an:

Kommunen auf der Digitalisierungswelle

Die Digitalisierung in ländlichen Gebieten ist ein Thema von großer Bedeutung, da es viele Unterschiede und Herausforderungen im Vergleich zu urbanen Ballungsräumen gibt. In etwas abgelegenen Regionen haben die Bewohner oft mit einer eingeschränkten Infrastruktur zu kämpfen. Hier setzt die Digitalisierung an, um Potenziale zu entfalten und einen positiven Wandel herbeizuführen.

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