Perspektiven für die textile Zukunft
12.08.2022
Am 12. Juli 2022 trafen sich Unternehmen und Forschungseirichtungen des Netzwerks Textile Innovation in der Freiheitshalle Hof zum Trendforum Textil. Unter dem Motto „Perspektiven für die textile Zukunft“ wurden Ideen und Visionen ausgetauscht und Strategien für zukunftsfähige Produkte, Dienstleistungen und die Anwendung moderner Technologien diskutiert.
In diesem Jahr fand das Trendforum Textil in Hof wieder live statt. Unter dem Motto „Perspektiven für die textile Zukunft“ trafen sich Unternehmen und Forschungseinrichtungen, um Ideen und Visionen auszutauschen, Strategien für zukunftsfähige Produkte und Dienstleistungen zu diskutieren und sich dabei zu vernetzen. Unser Video zeigt noch mal die schönsten Impressionen des Events!
Digitalisierung eröffnet neue Perspektiven
Wie man durch Cloud-Computing den Designprozess von funktionalen Textilien optimieren kann, wurde durch Christian Lott (ColorDigital GmbH) und Konrad Steiner (Fraunhofer Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik, ITWM) vorgestellt.
Das 2015 gegründete Unternehmen ColorDigital aus Köln stellt mit „ DMIx “ eine Plattformlösung für das Textildesign zur Verfügung. Dabei geht die digitale Produktentwicklung weit über eine visuelle Darstellung auf einem Bildschirm hinaus. Die Kundinnen und Kunden erwarten umfassende Datensätze, die nicht nur die reinen Materialdaten beschreiben, sondern im Zusammenhang mit der Diskussion um transparente Lieferketten und mehr Nachhaltigkeit auch Parameter wie die Materialherkunft oder den ökologischen Fußabdruck.
Die Software „TexMath“, die vom Fraunhofer ITWM in Kaiserslautern entwickelt wurde, ermöglicht die Simulation der mechanischen Materialeigenschaften von Geweben, Gestricken, Gewirken und Abstandstextilien. Ziel ist es, durch die Digitalisierung des Entwicklungsprozesses von der Textilmaschine bis hin zum Produkt das funktionale Design technischer Textilien zu optimieren.
Durch eine Kooperation von ColorDigital mit dem Fraunhofer ITWM und die Einbindung von TexMath in die Cloudlösung von ColorDigital entstand eine erweiterte, nutzerfreundliche Plattform zum optimierten Design von funktionalen Textilien.
Leistungsfähige Technische Textilien erschließen neue Anwendungsfelder
Christina Eisenbarth vom Institut für Leichtbau entwerfen und Konstruieren (ILEK) präsentierte mit dem „ersten adaptiven Hochhaus“ ein Demonstrationsprojekt des Sonderforschungsbereichs 1244 der Universität Stuttgart. An dem im Oktober 2021 eröffneten, 36 Meter hohen, schlanken Turm werden neu entwickelte Strukturen und Gebäudefassaden getestet. Das Großprojekt sucht nach innovativen Konzepten für die Gebäudeaußenhülle, die bei maximaler Reduktion des Ressourcenverbrauchs neue Technologie- und Gestaltungsmöglichkeiten in der Fassade eröffnen. Textile Strukturen spielen hierbei eine große Rolle. >> Weitere Informationen
Im Teilprojekt „HydroSKIN“ wird zum Beispiel eine hydroaktive Gebäudehülle entwickelt und in der Praxis getestet. Dieses universell anwendbare Fassadensystem auf Textil- und Folienbasis dient der Regenwasserretention und evaporativen Kühlung. Es ermöglicht eine drastische Reduzierung der klimatischen Hochwasser- und Hitzerisiken in urbanen Regionen.
Wie man durch Textile Technologien verschiedene Materialien bestmöglich kombiniert und somit Materialeigenschaften perfekt nutzen kann, wurde von Timo Piwonski, dem Geschäftsführenden Gesellschafter der Iprotex GmbH & Co. KG , präsentiert. Das innovative Unternehmen aus Münchberg hat seit seiner Gründung 1999 eine beachtliche Erfolgs- und Wachstumsgeschichte vorzuweisen und produziert inzwischen mit 350 Mitarbeitenden an neun Standorten weltweit Textilien für Automotive, Industrie, Sport und Freizeit.
Die Leistungsfähigkeit textiler Strukturen erkennt man an unterschiedlichen Produktbeispielen, die im Vortrag vorgestellt wurden. Zum Beispiel Tex-Lock, ein praktisches und gleichzeitig stylisches Fahrradschloss aus Textilhybriden, das gemeinsam mit einem Start-Up aus Leipzig entwickelt wurde. Oder ein textiler Marderschutz aus hochfestem Polyester. Hier isoliert eine dichte Gewebekonstruktion Kabel und Leitungen in Fahrzeugen und schützt sie gleichzeitig vor Marderbissen. Oder das European Spacemesh, ein gewirktes Mesh aus goldbeschichtetem Mopybdändraht, das sich bei Weltraummissionen bereits bewährt hat.
Bioökonomie bietet Ansätze für eine nachhaltigere Textilindustrie
Heimische Pflanzenfasern wie Flachs, Nessel oder Hanf sind seit Jahrhunderten Ausgangsstoffe für die für die Textilproduktion. Allerdings fehlen zur industriellen Nutzung bislang moderne, umweltfreundliche Anbau-, Ernte- und Aufbereitungsmethoden.
Dieser Herausforderung haben sich das TITK Rudolstadt und das STFI Chemnitz zusammen mit Industriepartnern gestellt und Lyohemp® entwickelt – eine Celluloseregeneratfaser vom Lyocell-Typ, die nicht aus Holz, sondern aus Hanfpflanzen gewonnen wird und die man zu Garnen und Bekleidungstextilien mit exzellenten Veredelungs- und Trageeigenschaften verarbeiten kann. >> Weitere Informationen
Wie Dr. Frank Meister vom Thüringisches Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung e.V. vorstellte, wird ein Verbund von regionalen Anbauern, Aufbereitern und Zellstoffherstellenden die Technologie in naher Zukunft im Pilot- und kommerziellen Maßstab realisieren und die Lyohemp®-Fasern im Tonnenmaßstab auf den Markt bringen. Lyohemp® ist damit ein Beispiel, wie man durch regionale Wertschöpfung nachhaltige und kreislauffähige Produkte erzeugen und vermarkten kann.
Noch in den Anfängen, aber ebenfalls zukunftsweisend, ist ein Forschungsprojekt der Georg Chr. Wirth GmbH & Co. KG aus Helmbrechts. Florian Wirth, der junge Geschäftsführer des traditionellen Familienunternehmens, hat die Vision, aus regional angebauten Fasernesseln eine eigene Produktlinie zu entwickeln. Sein Ziel ist es, Anbau- und Verarbeitungsmethoden zu optimieren und die gesamte textile Produktionskette bis zum Endprodukt regional abdecken zu können. Durch eine Crowdfunding-Initiative hat er Anfang des Jahres viel Aufmerksamkeit, Anerkennung und neue Partner für sein Vorhaben gewinnen können. >> Weitere Informationen