Kunst oder Kommerz

30.07.2018

Wie können sich Künstler vermarkten, ohne die „wahre“ Kunst aus den Augen zu verlieren? Das Symposium Kunstmarkt der Europäischen Metropolregion Nürnberg bot Galeristen, Museumsleitern, Kunsthistorikern, Mitarbeitern von Akademien und Hochschulen und nicht zuletzt den Künstlern selbst eine Plattform zum Netzwerken – und interessante Einblicke in ein spannendes Marktsegment.

Kunst oder Kommerz Wie können sich Künstler vermarkten, ohne die „wahre“ Kunst aus den Augen zu verlieren? (Bildnachweis: Bayern Innovativ)

„Die Geschichte des Kunstmarktes ist die Geschichte eines großen Missverständnisses“, so der Kunsthistoriker Dr. Wolfgang Ullrich mit Blick auf die Veränderungen in den vergangenen Epochen. „Vielen Menschen bereitet es seit jeher Bauchschmerzen, Kunst als Ware zu bezeichnen.“ Kunstreligiöse Vorstellungen betrachten ein Kunstwerk gar als etwas Heiliges und Sinnstiftendes, weshalb es nicht mit einem Preis bewertet werden darf. „Bildersäale sollten in manchen Epochen Tempel sein, wo man in stiller und schweigender Demut die großen Künstler im Sonnenglanze ihrer entzückendsten Gedanken und Empfindungen bewundern sollte“, blickte Ullrich bei dem von der Europäischen Metropolregion Nürnberg im November 2016 ausgerichteten Symposium „Kunstmarkt“ im Historischen Rathaus zurück.

Dass man mit dem Thema Kunst contra Kommerz nicht allzu kritisch gegenüber stehen sollte, unterstrich Ullrich mit einem Blick auf manche Jahresmärkte des 17. Jahrhunderts: „Damals war es gang und gebe, dass man bei Lotterien, Würfelspielen oder Wettschießen Meisterwerke gewinnen konnte. Das Beispiel Wettschießen zeigt, dass man damals ohne Interesse für Kunst, aber mit besonderen Fähigkeiten Kunstbesitzer werden konnte“, so Ullrich süffisant.

Kunstmarkt: "Lasst uns über Geld reden!"

Der Kunstmarkt zählt mit 2,1 Milliarden Euro Umsatz zu den kleineren Märkten der Kultur- und Kreativwirtschaft . Am Anfang seiner „Wertschöpfungskette“ stehen die Künstler, doch an der Vermarktung der Kunst partizipiert ein breiter Personenkreis: Galeristen, Museumsleiter und Kunsthistoriker ebenso wie Professoren an Akademien und Hochschulen. Insgesamt arbeiten einem aktuellen Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums zufolge in Deutschland rund 18.400 Erwerbstätige im Kunstmarkt. Das Symposium Kunstmarkt sollte ihnen eine Plattform zum Austausch, zum Netzwerken und zur Diskussion bieten.

Durchaus kontroverse Standpunkte brachte eine von der Direktorin des Neuen Museum Nürnberg, Dr. Eva-Christina Kraus moderierte Podiumsdiskussion hervor. So wollen sich Hochschullehrer nicht auf die betriebswirtschaftliche Ausbildung junger Künstler reduzieren lassen. „Jungen Leuten Marketing beizubringen ist Quatsch!“, äußerte der Präsident der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, Professor Ottmar Hörl, provokant. „Wenn das Produkt Quatsch ist, ist es mit dem guten Marketing dahin. Irgendwann muss jeder Künstler die Karten auf den Tisch legen!“, so Hörl.  Der Nürnberger Galerist Laurentiu Feller nutze die Anwesenheit von Vertretern aus Politik und Verwaltung, um mehr Unterstützung für Künstler in Nürnberg zu fordern, zum Beispiel bei Ateliers und Ausstellungsflächen.

Das richtige Künstlernetzwerk

Mit vier Themencafés bot das Symposium Kunstmarkt konkrete Antworten auf wichtige Fragen: Wie können Menschen in den Kunstmarkt einsteigen? Wie können Künstler sich vermarkten? Wie die richtigen Chancen aufbauen? Und welche Chancen und Risiken bietet die Internationalisierung?

Zum Handwerkszeug zählen Fähigkeiten wie die Anfertigung der Steuererklärung ebenso wie die Kenntnis geeigneter Stipendien. Eine wichtige Rolle für den Erfolg spielen aber die richtigen Kontakte. „Ohne Empfehlung geht gar nichts“, so die Teilnehmer des von bayernkreativ-Expertin Stephanie Hock und Street-Art Künstler Julian Vogel moderierten Themencafés. „Noch kein Galerist ist aktiv auf mich zugekommen und selbst eine gute Mappe hat mir noch keine Tür geöffnet“, so ein Akademie-Student. Ein wichtiger Schritt ist daher, aktiv Anlässe zu schaffen. Einen guten Galeristen kann man zwar per Zufall in der Straßenbahn kennenlernen, doch wahrscheinlicher wird man ihm auf einer Ausstellung vorgestellt und kann ihn dort von seinen Qualitäten überzeugen.

Kunst braucht einen Markt

Dass Kunst auch immer einen Markt braucht, belegte Dr. Dieter Rossmeissl, Kulturreferent der Stadt Erlangen und Geschäftsführer des Forums Kultur der Metropolregion Nürnberg mit Blick auf den wohl bekanntesten deutschen Künstler: „Albrecht Dürer hat nicht nur gemalt, sondern hat sich selbst auch immer hervorragend vermarktet“, so Dr. Rossmeissl.

Mit seinen Blicken in die Vergangenheit und die Gegenwart bot das Symposium Kunstmarkt viele interessante Ansatzpunkte auch für andere Märkte und Branchen: Weil sich Märkte laufend ändern, liegt es an den Akteuren, die jeweiligen Spielregeln geschickt zu interpretieren – nicht nur im Kunstmarkt.

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Oliver Wittmann